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So schoen Tot

So schoen Tot

Titel: So schoen Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke , Sandra Luepkes
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rezitieren. So weit kam es noch, dass man das akademische Geschreibsel auswendig lernte! Hatten diese Leute eigentlich nichts Besseres zu tun? Sollten die doch mal ihre eigenen Defizite betrachten. Keiner von denen hatte sich zum Beispiel so für das Gemeinwohl eingesetzt, genauer gesagt, geopfert, wie sie. Dass man ihr daraus nun einen Strick drehte, war einfach ungerecht!
    Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an das lauernde Grinsen der Fernsehmoderatorin dachte. Und die hämische Art und Weise, in der die Journaille und dann auch der Internet-Mob über sie hergefallen waren! Widerlich! Sie versuchte, die Tränen wegzublinzeln, vergeblich. Ein kleines Rinnsal löste sich aus dem rechten Auge, rann über die Schläfe, tropfte von dort in den Sand. Alexandra setztesich auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Als sie energisch den Kopf schüttelte, lösten sich ihre Haare, die sie im Nacken hochgesteckt hatte. Sie schob sich die alte Hutnadel, die sie zu einer Haarnadel umfunktioniert hatte, zwischen die Zähne, raffte die Haare mit beiden Händen zusammen und schlang das ausgeleierte Gummiband wieder darum, bevor sie die Nadel in den provisorischen Dutt rammte. Das Ärgste an ihrem ganzen Elend war, dass sie diesen Betrüger nicht auf Schadensersatz verklagen konnte. Es gab keinerlei legale Handhabe, sich an Lehmann schadlos zu halten. Dabei wäre das doch wohl das Mindeste gewesen, was ihr in dieser Situation zugestanden hätte. Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass dieser Scharlatan derart schamlos abgeschrieben hatte, und ungeschickt obendrein. Und so was nannte sich Ghostwriter! Hatte sie ihn etwa dazu aufgefordert, seine Quellen nicht zu belegen? Nein, nein, der Bursche hatte gutes Geld von ihr für diese Arbeit bekommen, und zwar steuerfrei, bar auf die Kralle, und hatte im Gegenzug elenden Pfusch abgeliefert. Es war einzig und allein seine Schuld, dass sie alles eingebüßt hatte: Titel, Ehre, Posten, Status und Geld. Die Ehe und die repräsentative Wohnung an der Adolfsallee nicht zu vergessen: Auch Nassovia hatte sich von ihr abgewandt, da er wegen ihres Skandals Nachteile für seine eigene Laufbahn befürchtete. Leider hatte er die Wohnung, in der sie gemeinsam gewohnt hatten, schon vor ihrer Ehe von seiner Mutter geerbt. Und leider war aus der erhofften Affäre mit Bernhard Bruck, dem designierten Landesgerichtspräsidenten, dann auch nichts geworden.
    Um sich wenigstens ein bisschen Luft zu machen, hatte sie dem Plagiator einige wütende Briefe geschickt, in denen sie ihm die Pest an den Hals gewünscht und mit Tod und Teufel gedroht hatte. Wer weiß, wie viele gutgläubigeMenschen dieser Mann noch alle auf dem Gewissen hatte! So einer gehörte doch wenigstens um seinen ruhigen Nachtschlaf gebracht, wenn man ihn denn schon nicht bestrafen oder in Regress nehmen konnte. Wirkliche Befriedigung hatte ihr die Briefeschreiberei allerdings auch nicht verschafft. Ach, nirgendwo gab es Trost   – außer eben im Sandbad. Nur hier, wenn sie, begleitet von sphärischen Klängen, nackt auf dem Badetuch im warmen Sand vor sich hin träumte und in zwanzig Minuten einen perfekten Tagesverlauf nachvollzog, vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang, fühlte sie sich wieder als Mensch. Und es war ja auch wissenschaftlich erwiesen, dass das Sandbad mit seinem Speziallicht Depressionen entgegenwirkte. Es regte den Stoffwechsel an und entspannte die Muskulatur. In diesem Moment, in dem das stete Rauschen der Wellen längst den Vogelgesang von vorhin übertönte und das zarte Rosa des Sonnenaufgangs einem kräftigen Orangegelb gewichen war, schüttete ihr Hirn endlich ein paar der so dringend benötigten Glückshormone aus.
    Alexandra öffnete die Augen, blinzelte ins Licht und schloss sie gleich wieder. Das Sandbadlicht war, wie sie wusste, nicht schädlich für die Augen, aber es war jetzt doch enorm hell geworden. Hoch stand die Sonne am künstlichen Himmel, gleißend weiß. Selbst durch die geschlossenen Lider drangen deren Strahlen bis in die düstersten Winkel ihrer Seele. Sengende Mittagshitze über dem Strand. Es war die Stunde, in der die Welt den Atem anhielt und Frauen mit geschlossenen Augen auf jenen dunklen Fremden hofften, der sie in seinem Schatten bergen würde, wenn er sich über sie beugte.

2.
    Quellen waren sein Lebenselixier. Wissenschaftliche Quellen, natürlich, in erster Linie. Aber auch heiße Quellen, die Dreililienquelle, die Spiegelquelle, die Kochbrunnenquelle zum

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