So schoen und kalt und tot
nicht.
„Es muss ja alles fertig und passend sein, wenn sie kommen“, antwortete Benjamin. „Aber lass nur, ich weiß schon, was ich zu tun habe.“ Anscheinend begann der Junge, sich sogar auf seine Lehrerin zu freuen.
Erleichtert atmete Angela auf. Diese Schlacht schienen die Eltern gewonnen zu haben. Benjamin begann, sich mit der Veränderung in seinem Leben anzufreunden. „Sei bitte rechtzeitig zum Essen wieder da“, rief sie ihrem Sohn noch nach.
Doch Benjamin gab keine Antwort mehr. Vielleicht hatte er sie auch gar nicht gehört. Aber das störte Angela nicht mehr so sehr. Sie war nur erleichtert, dass Mrs. Mansfield offensichtlich willkommen war.
* * *
Es war ein regnerischer kalter Mittag, als der Zug aus London Glannagan Station anfuhr. Die meisten Reisenden waren bereits unterwegs ausgestiegen, und nur einige wenige wollten an dieser doch relativ winzigen Station aussteigen.
Als Melanie zum ersten Mal den Boden von Glannagan betrat, hatte sie ein ganz eigentümliches Gefühl. Sie hatte sich bereits in London vorgenommen, diesen Ort als ihre neue Heimat zu identifizieren, selbst wenn die ersten Gefühle, die sie nach Verlassen des Zuges befielen, eine ganz andere Sprache sprachen.
Daran jedoch war nicht zuletzt der grausige Vorfall Schuld, bei dem sie Zeuge geworden war. Nachdem sie mit Daisy und Alanis das Abteil verlassen hatte, wo der Mord passiert war, hatte sie keine Ruhe mehr gefunden. Zwar hatte sie sich, ebenso wie die beiden anderen Frauen, wieder in ihre Sitzecke gekuschelt, doch an Schlafen war nicht mehr zu denken gewesen.
Jetzt standen sie alle drei frierend am Bahnsteig und wussten nicht, was sie tun sollten. Daisy hatte ihre Hände tief in den Taschen des hell beigen Reisemantels vergraben, und Alanis versuchte, sich mit dem Schlagen der Handflächen gegeneinander ein wenig warm zu machen.
„Ich möchte nur wissen, wo mein Bruder bleibt. Ich hatte ihm die genaue Ankunftszeit mitgeteilt. Er wollte mit dem Einspänner kommen. Und jetzt sitzen wir noch immer hier fest.“
„Noch stehen wir“, berichtigte Melanie lächelnd, doch auch ihr war nicht wohl zumute. „Von meiner Schule ist bis jetzt ebenfalls niemand gekommen, aber wir sind auch ein paar Minuten zu früh“, versuchte sie, Daisy zu beruhigen und sich selbst gleich mit. Aber auch das gelang ihr nicht, denn ihr Verstand arbeitete rasch und genau. Wenn bis jetzt noch niemand gekommen war, sie abzuholen, würde vermutlich auch keiner mehr kommen.
„Was wirst du tun, Melanie? Ich meine, wenn niemand mehr kommt.“ Daisy machte sich ehrlich Sorgen. „Werdet ihr beiden dann wieder nach London zurückgehen?“
Heftig schüttelte Melanie den Kopf. „Das ist nicht möglich“, antwortete sie bedrückt. „Wir haben alles verkauft und sämtliche Brücken hinter uns abgebrochen. Ich habe meine Arbeit aufgegeben und Alanis aus der Schule genommen. Aber das hab ich dir ja alles bereits erzählt.“
Daisy dachte einen Moment lang nach. „Ich werde mit Ian reden, wenn er kommt. Falls er kommt“, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, das ihre Angst verstecken und ihre Zuversicht demonstrieren sollte.
Dabei gab es eigentlich keinen Grund, weshalb er nicht kommen sollte, außer er hatte sich im Datum geirrt oder den Besuch ganz einfach vergessen. Aber das war nicht Ians Art. Er war die Zuverlässigkeit in Person, und wenn er es einmal nicht war, dann war ihm etwas Schwerwiegendes in die Quere gekommen.
Erste Tropfen fielen vom grauen Himmel, die sich wie kleine spitze Nadelstiche auf der Haut anfühlten. Melanie seufzte auf. „Wenn es jetzt auch noch anfängt zu regnen, werde ich ernsthaft über meine Entscheidung, ein neues Leben in Schottland anzufangen, überdenken. Vielleicht war das alles doch etwas überstürzt und ich habe nicht genug darüber meditiert.“ Es sollte ein Scherz sein, aber ihre Stimme klang eher verzweifelt.
Daisys Blick fiel auf Alanis, die wie erstarrt in die entgegengesetzte Richtung starrte. Und dann sah die junge Frau, was Alanis so faszinierte. In einer schmucklosen Holzkiste wurde die Tote aus dem Zug gehoben und in Richtung Ausgang getragen. Ein Mann, der aussah als sei er ein Polizeiinspektor, begleitete in geringem Abstand den einsamen Trauerzug, und auf einem kleinen Wagen wurde, in die Decke aus dem Abteil gehüllt, die Leiche des weißen Hundes weggebracht.
„Melanie, schau…“, sagte
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