Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Withcomb
Vom Netzwerk:
ihre Worte. Was sollte sie auf einem Friedhof? Sie hatte in der letzten Zeit schon genug davon besucht, das letzte Mal, als sie Abschied von London und von den Gräbern der Eltern genommen hatte.
       Benjamin dachte eine Weile nach. Man konnte sehen, wie es in seinem hübschen, etwas hartem Jungengesicht arbeitete. Dann nickte er. „Versuchen wir es“, gab er zu und grinste Melanie herausfordernd an. „Aber ich bin kein leichter Schüler. In den letzten zwei Jahren hatte ich drei, nein, vier Erzieher, die es alle nicht lange mit mir ausgehalten haben.“ Er schien sehr stolz über den Erfolg zu sein, denn in seinen Augen blitzte es einen Moment lang aggressiv auf.
       Melanie lächelte zurück. „Damit machst du mir keine Angst, Benjamin“, sagte sie freundlich. „Ich will dich nicht quälen und dich nicht verändern. Deine Eltern möchten, dass du etwas fürs Leben lernst, und genau das werde ich versuchen, dir beizubringen. Dinge, die du im Leben brauchst und für die Hochschule, die du später einmal besuchen sollst.“
       „Das klingt gut. Aber so ähnlich haben die anderen auch geredet, und dann wollten sie nur, dass ich immer gehorche, das tue, was sie mir sagten. Oft waren das Sachen, die ich nicht mochte.“ Benjamin biss in das Brot, das seine Mutter ihm auf den Teller gelegt hatte. Offensichtlich war für ihn das Thema Unterricht mit seiner Feststellung beendet.
       Überrascht stellte Melanie fest, wie vernünftig und verständnisvoll der Elfjährige klang. Mit einem Mal verschwanden ihre Ängste wie Schnee in der Sonne, und sie begann, sich auf das neue Leben und die Arbeit auf dem Castle zu freuen.
       „Dann haben wir das Wichtigste jetzt besprochen“, stellte Lady Angela zufrieden fest. „Widmen wir uns dem Abendessen, das Mathilda uns so liebevoll angerichtet hat.“ Sie deutete auf die beiden Kannen. „Kräutertee“, bemerkte sie mit einem beinahe entschuldigenden Lächeln. „Mathilda ist eine Gesundheitsfanatikerin, aber sie hat Recht mit dem, was sie sagt.“
       „Unsere Mutter hat auch immer Tee gekocht.“ Das waren die ersten Worte, die Alanis an diesem Abend sagte. Anscheinend begann auch bei ihr das Eis zu tauen. „Ich hätte sehr gern Tee.“
       Mathilda, die eben noch eine weitere Kanne frisch aufgebrüht hatte, füllte die Tassen der beiden Schwestern mit dem duftenden Getränk, das sie gerade gebracht hatte. „Zucker?“
       Beide verneinten, daraufhin zog sich die Wirtschafterin wieder zurück. Doch die angenehme Atmosphäre von eben war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Der Rest des Abends verlief beinahe schweigend. Nur Daisy versuchte immer wieder, ein Gespräch anzufangen. Schließlich gab auch sie auf.
       „Also ich gehe jetzt ins Bett. Ich bin so müde, dass ich vermutlich die nächsten Tage nicht mehr aufstehen werde“, meinte Daisy, nachdem alle fertig waren mit Abendessen. Sie erhob sich und schaute in die Runde. „Ich verabschiede mich hiermit von euch.“ Sie lachte hell und fröhlich.
       Lady Angela und ihr Mann erhoben sich sofort. Ian umarmte seine kleine Schwester, und Angela entschied, die Schwägerin nach oben zu begleiten.
       Benny schloss sich an, denn auch er mochte Daisy sehr gern. „Ich werde dir noch ein bisschen was vorlesen“, schlug er vor und hakte sich bei der Tante unter. „Dad hat aus Lairg ein neues Buch  mitgebracht, das dir gefallen wird. Darf ich?“
       Obwohl Daisy wirklich sehr müde war, schlug sie ihrem Neffen den Wunsch nicht aus. Früher, als er noch ein kleines Kind gewesen war, hatten sie viel Zeit miteinander verbracht, und ihr Verhältnis war eher das wie von Geschwistern als von Tante und Neffe.
       Melanie war froh, dass die Tafel aufgehoben war. Das Schweigen hatte ihre gute Stimmung, die im Ansatz bereits vorhanden gewesen war, wieder zerstört. „Darf ich noch einen kleinen Spaziergang im Park unternehmen?“, fragte sie den Laird höflich.
       „Es ist bereits ziemlich dunkel“, antwortete Ian. „Wir haben zwar bereits das Tor geschlossen und es kann niemand eindringen, der einem von uns Böses antun wollte. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ein etwas schreckhaftes Gemüt sich zwischen all den Bäumen und Sträuchern nicht gerade heimelig fühlt, wenn es dunkel ist.“
       „Das macht mir nichts aus“, wehrte Melanie ab, die nur noch Sehnsucht nach Freiheit und frischer kühler Abendluft hatte. Sie ging zum Fenster und schob den schweren Samtvorhang ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher