So schoen und kalt und tot
sanften Kuss. Ein wenig verlegen trat sie zurück. „Ich muss gehen.“
„Wann darf ich dich wiedersehen?“, fragte er sehnsuchtsvoll, als sie an dem Wegschild angekommen waren, auf dem Rochester Castle ausgeschrieben war. „“Ich hoffe, du lässt mich nicht zu lange warten.
Melanie dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß es nicht, Chester“, antwortete sie lächelnd. „Lassen wir es dem Zufall über.“ Insgeheim hoffte sie, Chester würde es nicht bei dieser Erklärung stehen lassen.
Doch Chester schwieg. Er schaute sie lange an, dann nickte er. „Vielleicht hast du Recht.“ Liebevoll streichelte er über ihre Stirne und das seidenweiche Haar. Dann drehte er sich um und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Melanie stand da mit großer Sehnsucht im Herzen. Sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war. Noch war ihre Liebe ganz jung und wurde von seltsamen Ereignissen und ungeklärten Fragen überschattet, die erst geklärt werden mussten. Aber sie spürte auch, dass sie eine Chance hatten.
* * *
Frühling in den Highlands ist etwas Besonderes. Aus dem kargen Boden sprießen die verschiedensten Blumen und Kräuter und entfalten in kurzer Zeit ihre duftende Pracht.
Mit Staunen beobachtete Melanie die Veränderung in der Natur. Seit einem Monat war sie bereits auf Rochester Castle, und mit jedem Tag, der verging, fühlte sie sich in dieser Umgebung heimischer.
Auch Alanis schien allmählich zur Ruhe zu kommen. Oft lief sie, leise vor sich hin singend, durch den Park, beobachtete fasziniert die ersten Schmetterlinge und streichelte liebevoll über das erste Grün der vielen Sträucher und Bäume.
Seltsamerweise hatte auch der Friedhof von Glannagan seine Schrecken für die beiden Schwestern verloren. Jenna Barton, die Mutter von Alanis, hatte immer gesagt, man müsse der Gefahr ins Auge sehen. Und Dinge, vor denen man sich fürchtet, muss man immer wieder tun, bis man sich daran gewöhnt hat.
Genau das hatten die beiden Schwestern getan. Mehrmals in der Woche hatten sie ihren Nachmittagsspaziergang nach Glannagan gemacht, nur um sich die stillen Gräber anzusehen und die Inschriften zu lesen. Anfangs hatte sie einige Male Chester Flannagan begleitet, doch dann hatte ihn ein kurzfristiger Auftrag bei einem erkrankten Jungen in eine andere Gegend gerufen.
Melanie vermisste ihn sehr, doch das mochte sie ihrer Schwester nicht zeigen. Umso mehr zog es sie an die Plätze, an denen sie sich schon mit ihm getroffen hatte.
Auch heute waren die beiden Schwestern wieder unterwegs nach Glannagan. Eine Woche war Chester noch auf dieser kleinen Insel bei dem reichen Geschäftsmann, dessen Sohn eigentlich eine Privatschule besuchte, während eines kurzen Aufenthalts zuhause jedoch einen Unfall gehabt hatte. Um den Anschluss nicht zu verpassen war der Lehrer für ihn engagiert worden.
„Du vermisst ihn sehr“, meinte Alanis, nachdem sie das letzte Stück beide geschwiegen hatten. Das war das Mädchen eigentlich nicht gewöhnt von der großen Schwester. Meist wusste Melanie etwas zu erzählen oder gab ein Thema zur Diskussion. Heute jedoch hing sie ihren Gedanken nach und erschrak, als Alanis sie anredete. „Was meinst du?“
„Chester… du sehnst dich nach ihm, hab ich Recht?“
Melanie wollte schon entrüstet ablehnen, doch dann entschied sie sich dagegen. Warum sollte sie die Schwester anlügen, sie würde es ja ohnehin irgendwann erfahren. Warum also nicht gleich?
Sie nickte. „Er ist ein wundervoller Mensch, und ich bin sehr gern mit ihm zusammen. In etwa einer Woche ist er wieder zurück.“
„Ich weiß“, lächelte Alanis und hakte sich bei Melanie unter. „Dann kann ich ihn vermutlich bald als Schwager in unserer Familie begrüßen.“
„Ach, was du wieder denkst.“ Nun errötete Melanie doch, obwohl sie sich die ganze Zeit bemüht hatte, es nicht zu tun. „So weit sind wir noch lange nicht. Wenn zwei Menschen sich kennen lernen wollen, dann ist das eine sehr ernste Angelegenheit“, fuhr sie fort.
„Ich weiß.“ Alanis lächelte. „Es geht immerhin um zweimal Zukunft.“
„Wie meinst du das?“
„Um deine und um die von Chester“, antwortete das Mädchen sofort. „Gehen wir gleich zu Mrs. Mansfield?“
Melanie nickte. „Ich möchte wissen, warum sie sterben musste“, meinte sie nachdenklich. „Manchmal denke ich, wir
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