So schoen und kalt und tot
würden vermutlich staunen, wenn wir jetzt noch mit ihr reden könnten. Wir haben eine ungefähre Vorstellung, wie der Mord passiert ist. Aber ob das so stimmt, wissen wir nicht.“
„Mrs. Mansfield könnte uns mit Sicherheit erzählen, wer sie umgebracht hat und warum.“ Alanis blickte auf den kleinen Strauß in ihrer Hand. „Ob sie sich über die Blumen freut?“
„Gewiss“, meinte Melanie und starrte wie gebannt zu dem frischen Grab der Ermordeten. „Bilde ich es mir ein oder ist da wirklich wieder dieser Hund?“
Alanis drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite und lächelte beglückt. „Countess, du bist da“, sagte sie leise und ihre Stimme klang nicht ganz sicher vor Freude. Sie reichte Melanie die Blumen und ging zu dem weißen Hund, der sie einfach nur musterte.
Als Alanis sich ihm näherte zog er sich ein wenig zurück, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.
„Was ist mit dir?“
„Ich glaub, er will nicht, dass du ihm nahe kommst“, sagte Melanie. Verwundert beobachtete sie, wie das Tier langsam rückwärts ging. Dann drehte es sich um und lief zwischen den Gräbern auf die kleine steinerne Kirche zu. Immer wieder blieb der Hund stehen um sich zu vergewissern, dass Melanie und Alanis ihm auch folgten.
Melanies Finger hielten den Blumenstrauß umklammert, als würde ihr Leben davon abhängen. Immer wieder sagte sie sich, dass das alles nur ein Traum war und dass es keine Geisterhunde gab. Doch dieses Tier war real.
Sie legte den Strauß auf das Grab von Mrs. Mansfield, dann folgte sie ihrer Schwester. „Ich will nicht in diese Kirche“, flüsterte sie Alanis zu. „Was sollen wir da. Mittlerweile glaube ich, dass wir uns das alles nur einbilden. Den Hund gibt es gar nicht, und wir befinden uns beide mitten in einem Alptraum.“
Abrupt blieb Alanis stehen. „Du siehst Countess, und ich sehe sie auch. Wo ist das Problem? Akzeptiere endlich, dass es sie gibt.“ Auf ihrer hohen Stirne hatte sich eine Zornesfalte gebildet.
Sie waren an der grauen Kirche angekommen. Ein wenig schief stand sie da, aus rohem Stein gemauert, zum Teil bereits verwittert. Überall wucherte Unkraut, das vom kühlen Wind ein wenig bewegt wurde.
Dunkle Wolkenberge jagten über den Himmel, der Wind wurde immer heftiger. Erste Regentropfen fielen herab und fühlten sich auf der Haut an wie kleine spitze Nadelstiche.
„Countess will, dass wir hinein gehen“, flüsterte Alanis und hatte den Türgriff bereits in der Hand. „Sie will uns vermutlich etwas zeigen.“
Melanie schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Worauf hatte sie sich nur eingelassen? Die alten Ängste waren mit einem Mal wieder da, das Grauen vor dem Tod, die Furcht vor etwas Unbekanntem, das sie immer wieder befiel, seit Jenna, ihre Stiefmutter, einen gewaltsamen Tod gefunden hatte.
Die Kirchentüre knarrte ziemlich laut, als Alanis sie öffnete. Muffiger Geruch schlug ihnen entgegen, als ob schon sehr lange nicht mehr gelüftet worden wäre. Doch heute hatte er noch einen anderen Beigeschmack, den nach Blut und Tod, ein wenig süßlich und mit billigem Parfüm vermischt.
Melanie blieb an der Tür stehen und hielt den Atem an. Ein Würgereiz steckte in ihrer Kehle. Sie atmete schwer. „Ich warte hier“, sagte sie leise. „Wenn du unbedingt hinein willst, dann mach das allein.“
Sie hielt die Türe auf, als wollte sie die Fluchtmöglichkeit sichern, während Alanis langsam das Innere der Kirche betrat. Der Raum war ziemlich spartanisch eingerichtet, der Altar schmucklos und einfach. Davor stand ein geöffneter Sarg.
Abrupt blieb Alanis stehen und drehte sich zu ihrer Schwester um. „Wer ist da drin?“, flüsterte sie erschrocken. „Ich habe nichts davon gehört, dass hier im Ort jemand gestorben ist. Laird Ian hätte doch davon erzählt.“
Melanie hatte das Gefühl, gleich umsinken zu müssen. Dennoch siegte plötzlich die Neugierde. Sie folgte ihrer Schwester mit zitternden Knien.
Die letzte Tote, die sie, mehr unfreiwillig, hatte ansehen müssen, war ihre Stiefmutter Jenna gewesen. Und jetzt stand sie völlig unerwartet nur wenige Schritte von einem Sarg entfernt, der mit Sicherheit nicht leer war.
„Ich geh wieder“, flüsterte Melanie ängstlich. „Ich muss nicht alles gesehen haben. Komm, Alanis, das hier geht uns nichts an.“ Sie starrte gebannt auf den Geisterhund, der jetzt offensichtlich da angekommen war, wo er hingewollt hatte.
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