So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
einmal mit Ihnen reden.«
Und eine Stunde später war er da, hat mich hier im Krankenhaus in seinem Büro empfangen und wir haben ein wirklich gutes Gespräch geführt. Da ist wohl vorher in der Kommunikation zwischen den Ärzten ein bisschen was schiefgelaufen. Deswegen war er so kurz angebunden letzten Freitag, dachte, er könnte das alles kurz abhaken. Man ist da sicher auch zu empfindlich, ist ja klar. Deswegen hatte ich versucht, mir einzureden, dass diese Chirurgen eben Profis sind, dass ich den Mechaniker in meiner Autowerkstatt ja auch nicht sympathisch finden muss. Aber das hat nicht richtig funktioniert. Mein Körper ist halt kein Auto, und man braucht irgendeinen Draht zu dem, der da drin rumschneidet.
Jedenfalls haben wir echt gut gesprochen. Er hat mir versichert, dass er alles tun wird, um so viel wie möglich von der Lunge zu retten, und mir versprochen, den Stimmbandnerv nicht zu zerstören. Er werde alles genau abwägen, aber ich müsse nachher, gleichsam als Gegenleistung, machen, was er will: »Wenn ich das will, stehen Sie einfach auf, Schmerzmittel gibt’s genug«, sagte er. »Daher müssen Sie die Tage nach der OP volle Kanne mitmachen, das wird kein Spaziergang, aber wir brauchen wirklich alle Ihre Kraft und Ihren Willen. Dann werden wir das auch schaukeln. Wir holen Ihnen jetzt die Scheiße da raus, dann drei Wochen Arbeit und dann gehen Sie nach Hause.«
Diese klare Ansage tat gut: Ich mache das jetzt. Das ist jetzt einfach ein Selbstversuch. In Wirklichkeit habe ich gar keinen Tumor, ich sage einfach, ich will mal was ausprobieren. Das hat’s noch nicht gegeben. Und darüber schreibe ich dann ein Theaterstück, das garantiert ein Flop wird.
Na ja, jedenfalls war der Kaiser heute Abend noch einmal da. Es sieht wohl so aus, dass links ein bisschen in die Brustwand reingewachsen ist, das kann aber auch durch die Punktion gekommen sein. Kann er aber erst entscheiden, wenn er da reinguckt.Wenn es so wäre, wäre es auch kein Problem. Dann kommt da ein kleines Stückchen von der Brustwand raus und dafür krieg ich da Goretex eingesetzt. Das finde ich extrem schick. Das hat auch nicht jeder: Wenn man mal in den Regen kommt, dann bleibt die Stelle einfach trocken. Die Farbauswahl ist der einzige Streitfaktor hier. Wahrscheinlich werde ich deshalb die Operation morgen doch noch absagen, denn die wollen mir Ocker einnähen, ich will aber Silber haben. Es soll silbern glänzen, wenn ich die Arme hebe und Aino nachschaut, ob ich da Pickel habe oder was auch immer. Man kann aber auch gut beichten damit. Dann knie ich nieder und beichte in dieses Stück Goretex rein. Das geht dann direkt in meinen leeren Lungenkörper und wird einfach in Energie umgewandelt.
Nicht dass jemand denkt, ich stehe schon unter Drogen. Ich habe nur zwei Hähnchenschenkel gegessen. Die haben wahrscheinlich so viele Hormone, dass ich deshalb schon ein bisschen high bin. Es ist natürlich vor allem Galgenhumor. Aber besser Galgenhumor als diese Depressivität, die mein Vater mit seiner zunehmenden Erblindung entwickelte. Deshalb kämpfe ich ja auch gerade so sehr mit meinem Vater. Weil ich nicht so abrutschen will wie er, weil ich nicht sagen will, ist doch eh alles egal. Für diesen Pessimismus, für diesen schwarzen Schleim, den er da über uns ergossen hat, mag ich meinen Vater nicht mehr. Ich sage es ihm auch immer wieder: Papa, streng dich an! Ich habe dich sehr viel bemitleidet, aber ich habe versucht, dir Kräfte zu geben, die ich dir gar nicht geben konnte. Wenn du noch irgendwie Kontakt halten willst, ich dir noch irgendetwas bedeute, dann musst du jetzt was tun. Natürlich nicht für meine Heilung sorgen, aber du musst alles dafür geben, damit ich mit diesem Fatalismus, mit diesem Dämon von dir, nix zu tun habe, damit ich Freude am Leben behalte.
Hat er noch nicht geschafft, mein Papa. Muss ich mich halt so lange an Beuys festhalten. Der hat natürlich auch viel Unsinn mit seiner Steiner-Schule verzapft, aber es gibt viele, viele gute Gedanken bei ihm. Zum Beispiel dieser Satz, dass es keine Krankheit gibt. Das ist ein schöner Satz. Denn wenn man von Krankheit spricht, ist das ja gleich so eine komische Auszeichnung, so etwas Besonderes. Dann geht’s irgendwie um die Wurst, aber wenn man dann doch gesund sein sollte oder wieder gesund wird, dann ist man ja von vorne und von hinten ans Kreuz genagelt. Dann ist man halt doch nix Besonderes, dann wird einem die Auszeichnung wieder weggenommen, dann muss man
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