So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
kann ich zum Beispiel beschließen: Da liegt einer im Krankenhaus und niemand besucht ihn. Ich kümmere mich jetzt mal. Das ist ein Moment, der bei mir lange überfällig ist. Ich bin wahrscheinlich nicht der Typ, der den Leuten die Scheiße von den Ärschen abkratzt, aber das muss man ja auch nicht. Und wer weiß, vielleicht geht auch das irgendwann.Aber die Gabe, mit Menschen Gespräche zu führen, ohne sie zu belatschern und ins eigene System einzubauen, kann ich einsetzen und zu jemandem sagen: Ich komme ab jetzt regelmäßig, dann können wir ein bisschen reden.
Mal sehen, ob ich das schaffe, das Bedürfnis ist jedenfalls da.
So weit der Zwischenbericht am 1. April. Kein Aprilscherz, alles harte Realität. Gute Nacht.
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Montag, 7. April
So, jetzt bin ich endlich in Havelhöhe angekommen, morgen beginnt die Chemotherapie, wer hätte das gedacht. Die Klinik ist in einer alten Kaserne untergebracht, da muss man sich erst dran gewöhnen, aber die Leute sind alle sehr nett. Am Anfang gab es allerdings ein solches heilloses Durcheinander, dass ich kurz davor war, sofort wieder abzureisen. Da kam eine ziemlich junge Krankenschwester und wollte mir Blut abnehmen. Dabei hat sie sich fürchterlich ungeschickt angestellt und irgendwann nur noch rumgeflucht. Jedenfalls hat’s sauweh getan und genug Blut gab’s auch nicht, weil sie einfach keine Vene richtig getroffen hat. Ich komme an und werde gleich massakriert – so fühlte sich das an. Gleichzeitig sollte ich einer anderen Schwester zackzack sagen, was ich die nächsten Tage essen will. Ich dachte, ich bin im Irrenhaus gelandet, und wollte nur noch weg.
Dazu ist es dann aber dank Aino und auch dank Dr. Grah nicht gekommen, der sich schließlich ganz lieb selbst gekümmert hat. Die junge Schwester ist sehr verstört abgezogen, glaube ich. Tat mir dann auch leid, sie ist wohl noch in der Ausbildung und hatte auch Angst, aber man ist einfach sehr, sehr empfindlich in so einer Situation. Man will ja tapfer sein, aber man braucht dafür das Gefühl, dass diejenigen, in deren Hände man sich begibt, alles voll im Griff haben.
Den Tag über habe ich Atemübungen gemacht und eine ganz, ganz tolle Massage bekommen. Ich habe mich gefühlt wie ein Kind, es war wunderbar. Und dann kam ein Psychologe, um mit mir über die Chemo zu reden, das war aber nicht so wichtig. Eine andere Psychologin wollte noch einen Termin für morgen ausmachen, das habe ich gleich abgeblockt. Zu viel Reden bringt auch nichts. Na, das sagt der Richtige …
Aino ist irgendwann heute Abend gefahren, sie muss wirklich Unmengen machen. Sie hat die Oper an der Backe, und sie hat mich an der Backe. Morgen muss sie schon wieder hier sein, weil die Chemo beginnt. Dann kam noch mal Dr. Grah vorbei und wir haben bestimmt eine Stunde miteinander geredet. Das war sehr nett, auch weil er sich ein bisschen mit Beuys und seinen Gedanken auskennt. Vor allem meinte er, ich solle ihnen hier bloß nichts vorspielen, wenn es mir nicht gut geht. Es gäbe viele Sachen, um mir zu helfen, aber dafür müssten sie halt auch wissen, wie es mir geht.
Ist ja jetzt auch alles gut. Ich schlafe jetzt mal und wünsche allen eine schöne Nacht. Danke für alles, was heute passiert ist. Und ich erbitte von allen da oben einen guten Tag. Ich wünsche mir, dass der Tag morgen ein erfolgreicher Tag wird. Wollen wir mal sehen. Das werden wir schon schaffen. Gute Nacht. Amen.
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Dienstag, 8. April
Heute hat die Chemotherapie begonnen. Sie findet in einem separaten Gebäude statt, ist alles sehr nett gemacht. Aino meinte, es sehe aus wie in einem Wellnessbereich. Man bekommt ein Zimmerchen mit einem Bett, einem Sofa und einer schönen Sitzecke zugeteilt, und dort läuft dann eine Infusion nach der anderen in einen rein. Die erste war zum Wässern der Nieren, damit die nicht geschädigt werden, die zweite war eine Mistelinfusion, die mir von Dr. Grah empfohlen wurde. Dann gab es ein Mittel gegen die Übelkeit, und erst danach lief das erste Präparat rein. Und nach dem ersten Präparat kam wieder was zum Spülen und noch was gegen Übelkeit, dann folgte das zweite Präparat und noch mal etwas zum Nachspülen.
Es ist alles gut durchgelaufen, war alles in Ordnung. Ich habe die meiste Zeit im Bett gelegen und sehr viel geschlafen. Das ist schon eine tolle Einrichtung, dass man schlafen kann. Da muss ich an meine Mutter denken, die ja berühmt dafür ist, dass sie immer in den Schlaf schaltet, wenn etwas Negatives
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