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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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einschlugen, wurde ich immer nervöser. Es war Abend, und normalerweise aß ich abends ja nichts. Ich hatte meiner Mutter allerdings die Hoffnung gemacht, dass wir an diesem Abend die Dinkelnudeln kochen würden und ich sie diesmal auch essen würde. Glücklicherweise hatte ich an dem Tag erst einen kleinen Apfel zu mir genommen!
    Trotzdem hatte ich große Angst vor dem Abend und wurde immer aggressiver, während das Wasser zu kochen begann und meine Mutter die Nudeln reinwarf. Für meine Brüder wurde separat gekocht. Sie wollten sich den „echten“ Geschmack von normalen Nudeln nicht nehmen lassen.
    Mit Müh und Not aß ich einen Viertelteller, bis ich unter Tränen aufgab. Ich hatte es versucht, doch es ging nicht.
    Von nun an blieben die Dinkelprodukte auch wieder im Schrank.
    Ich musste immer kompliziertere Tricks anwenden, um diesen grauenhaften Moment des Mittagessens an mir vorbeigehen zu lassen. Entweder erzählte ich, dass ich schon gegessen hatte (was mir natürlich langsam niemand mehr glaubte), oder ich trug einen weiten Pullover, in dem ich das Essen verschwinden ließ. Wie oft musste ich meine Handtasche saubermachen, weil ich Schokolade, Fleischstücke oder andere Essensreste reingestopft hatte, nur damit alle dachten, ich hätte sie gegessen. Oft kaute ich das Essen sogar und spuckte es dann so unauffällig wie möglich in eine Serviette, die ich dann in meiner Handtasche verschwinden ließ.
    Früher hatte ich es geliebt, Kakao aus einer großen Schale zu trinken, wie man das in Frankreich macht. Das war nicht selten ein halber Liter Milch am Morgen, und nie hatte ich mir etwas dabei gedacht! Natürlich kam das jetzt gar nicht mehr in Frage. Die unzähligen Kalorien in dem Getränk hätte ich ja nie wieder loswerden können!
    Meine Mutter flehte mich an, doch wenigstens ein Glas Milch zu trinken, und ich wollte ihr zeigen, dass alles in Ordnung war. Also nahm ich eine Tasse, durch die man nicht hindurchsehen konnte, und füllte diese bis fast ganz oben mit Wasser. Besonders auffällig griff ich dann nach der Milch, so dass jeder sehen konnte: „Déborah trinkt Milch!“, und füllte die Tasse dann noch mit ein paar Tropfen auf. Meine Mutter war glücklich ... und ich hatte sie mal wieder betrogen.
    In diesem Sommer wollte ich unbedingt mit den Young Continentals auf Tour gehen. Das ist eine Gospelgruppe, die im Sommer einige Wochen auf Konzerttournee ist, nachdem sie ein zehntägiges Probencamp „überstanden“ hat. Die Konzerte bestanden nicht nur aus Gesang, sondern auch aus viel Tanz und Schauspielerei. In meinem Fall stellte sich also die Frage: „Habe ich überhaupt die Kraft dazu?“
    Ein Jahr zuvor war ich noch kräftiger gewesen und hatte viel mehr Power und Energie gehabt. Doch ich war fest entschlossen, dass ich es auch in diesem Jahr schaffen würde. Diese Tourneen waren mein Leben, und das ganze Jahr arbeitete ich hart dafür, um sie mir finanzieren zu können. Singen ist schon immer meine große Leidenschaft gewesen, und außerdem war das schon meine dritte Tour, also wusste ich, was mich erwartete.
    Meine Mutter aber sah das nicht so. Sie verlangte von mir, dass ich bis zum Tourstart mindestens zwei Kilo zunehmen müsse, sonst durfte ich nicht mit! Hallo?! Ich bin doch zu dick, sieht sie das nicht? , dachte ich. Ich hatte immer noch die Angst, dass ich, wenn ich zwei Kilo zunehmen würde, nicht mehr aufhören konnte und wieder fett werden würde! Außerdem mussten meiner Meinung nach eher noch zwei Kilo runter als rauf!
    Magersüchtig ist man nur, wenn man gar nichts isst , redete ich mir ein. Und so war es ja nicht. Ich war so sauer auf meine Mutter, besonders, weil sie nun anfing, mich immer genauer zu beobachten. Je mehr sie darauf achtete, was ich aß, desto ausgeklügelter wurden meine Tricks. Nie hätten meine Eltern mir zugetraut, dass ich sie nach Strich und Faden belügen würde, und genau das nutzte ich schamlos aus. Wenn ich zum Beispiel während der Mahlzeit aufstand, um etwas Salz aus der Küche zu holen, dann war dies nur ein Vorwand. Denn ich verschwand mit meinem Teller in der Hand in der Küche, um einen Teil des Essens blitzschnell im Mülleimer verschwinden zu lassen. Ich hätte sowieso niemals mehr Salz auf mein Essen gegeben. Salz bindet Wasser, was bedeutete, dass ich weniger Wasser ausscheiden würde und bald so

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