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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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sagen sollte, das merkte ich. In diesem Jahr war auch mein Bruder Samuel nicht dabei, und so waren alle total überfordert mit der Situation. Es gab sogar kurz die Überlegung, ob man mich nicht besser sofort wieder heimschicken sollte. (All das erfuhr ich natürlich erst Jahre später.)
    Meine Freundin Anna aus Holland war auch mit auf Tour, und ihr wurde dann so ziemlich die Verantwortung für mich übertragen. Ich kam nicht drumherum, mit den anderen essen zu müssen. Also nahm ich so wenig wie möglich zu mir, gerade genug, um unsere Tourleiter glücklich zu stimmen. Um die Essenszeit so gut wie möglich rumzubringen, ohne viel zu essen, kaute ich einfach noch länger. Ich musste mir aber auf Anweisung der Leiter selbst für die Pausen zwischen den Proben Brote machen, die ich selbstverständlich im Müll verschwinden ließ.
    Wie peinlich das alles war! Sie beobachteten mich die ganze Zeit, und als Einzige wurde ich kontrolliert, wenn es um das Essen ging. Es war total ätzend für mich, dass jeder darauf achtete, was ich esse und was nicht. Doch die Leiter dieser Tour hatten allen Grund dazu, sich Sorgen zu machen. Das Training auf solch einem Probencamp ist sehr, sehr hart und die Nächte kurz. Den ganzen Tag über wird trainiert, die Bühne ab- und aufgebaut und viel gelaufen. Ich war aber sehr geübt darin, die Menschen um mich herum glauben zu lassen, dass es mir gut geht. Auf Knopfdruck hatte ich ein strahlendes Lächeln drauf und packte immer freiwillig mit an, wenn es darum ging, schwere Kisten zu tragen, nur um ihnen zu zeigen, dass ich nicht krank war und genauso stark wie alle anderen.
    Ãœber den Tag verteilt gab es mehrere Pausen, in denen immer eisgekühlte, leckere Limonade für uns bereitstand. Wie ich die in den Jahren vorher immer geliebt hatte! Doch in diesem Jahr lief ich direkt daran vorbei, um auf Toilette meine Flasche mit Wasser aufzufüllen. „Déborah, willst du keine Limonade?“, fragte mich ein Mädchen aus der Gruppe.
    Aus dieser harmlosen Frage hörte ich mit meiner verzerrten Wahrnehmung heraus: „Déborah, komm, nimm Kalorien zu dir. Komm nur her, werde fett!“
    Zielstrebig rannte ich zum Wasserhahn und trank so viel, wie es ging, um meinen Hunger und Durst zu stillen: „Nein, das ungesunde Zeug schmeckt mir eh nicht.“
    Wieder einmal drehte sich alles um mich, als ich im Bad an der Wand lehnte. Doch ich redete mir ein, es sei die Anstrengung des Probencamps. Während wir danach wieder stundenlang die Tänze einstudieren mussten, kämpfte ich gegen den Protest meines Magens an. Es fiel mir unglaublich schwer, mich zu konzentrieren und mir die Choreographien zu merken. Doch ich gab alles! Denn Tanzen verbrannte ja wunderbar viele Kalorien, ich musste mitmachen!
    Im Jahr zuvor hatte ich zu den schlechtesten Tänzerinnen gehört. Um ein Tanzsolo zu bekommen, müssen alle gleichzeitig vortanzen, und nach und nach werden dann die nicht so Begabten rausgeschmissen. Ich gehörte immer zu den Ersten, die draußen waren. Das gefiel mir gar nicht. Wie gern hätte ich beim Tanzen genauso gut ausgesehen wie die anderen Mädchen, die von allen bejubelt wurden! Stattdessen schied ich aus und riss dann schnell Witze über mich selbst, damit ja keiner merkte, wie verletzt ich war.
    In diesem Jahr war es anders. Ich stand in der ersten Reihe – und ich blieb auch dort und durfte tanzen! Lag das etwa nur an meinem Aussehen? Wieder fühlte ich mich in der Annahme bestätigt, nur als Dünne im Leben weiterzukommen.
    Der aufregendste Tag in so einem Probencamp ist der, wenn es um die Soloverteilung geht. Meist waren 30 Sänger auf der Bühne, und der Kampf um die Soli war knallhart! Ich war davor immer sehr nervös und rannte alle zehn Minuten auf Toilette. Wir hatten sehr gute Sängerinnen mit auf Tour, und ich sah meine Chancen schon bei Minus 50. Doch zu meiner Überraschung bekam ich ein tolles Lied als Solo, und noch eines dazu, bei dem ich mit drei anderen Mädchen singen sollte.
    â€žIhr seht aus wie die Spice Girls !“, spottete jemand. „Déborah spielt mit ihren dünnen Ärmchen und Beinchen die Victoria!“
    Ich hätte sie am liebsten alle angeschrien: „Seht ihr nicht, dass ich noch sehr weit entfernt bin von so einem ausgemergelten Körper? Wie kommt ihr dazu, mich mit ihr zu vergleichen?“ Doch ich hielt lieber die Klappe.
    Ein

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