So schwer, sich leicht zu fuehlen
der Inhalt. Der Titel lautete âGute Mädchenâ, und den Rest kann man sich ja denken. Sollte ich wirklich so tief sinken, nur um musikalisch Erfolg zu haben?
Das jedenfalls versuchten sie mir beizubringen. âDéborah, wenn du so eine Nummer singst, kennen dich die Leute, und danach kannst du alles aufnehmen, was du willst! Dieser Song wird ein Hit, und du bekommst dadurch die nötige Aufmerksamkeit. Stell dich jetzt nicht so verklemmt an; wir wissen schon, was wir tun. Hunderte von Girls warten auf eine Möglichkeit wie diese, was zierst du dich überhaupt noch?â
Ich war hin- und hergerissen. Ja, natürlich wollte ich Erfolg haben und einen Hit landen. Doch um jeden Preis? Würde ich dafür so einen miesen Text singen müssen, der mit meiner Person nicht mehr viel zu tun hatte?
Ich bettelte mit zitternder Stimme darum, wenigstens zwei, drei Sätze ändern zu können. Somit wäre der Song grenzwertig, aber okay für mich geworden. Aber nein, keine Chance. In mir schrie alles auf, und ich war sauer auf meinen tollen Manager. Wieso stand er in der Situation nicht hinter mir, sondern ganz auf der Seite der anderen?
âDéborah, du gehst jetzt am Besten kurz raus, damit ich die Jungs beruhigen kann. Dein Verhalten ist wirklich unglaublich unverschämt. So etwas Undankbares habe ich noch nie erlebt. Raus!â, fuhr er mich an.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich fing an zu weinen, was mich dann noch mehr ärgerte, doch ich fühlte mich so einsam. Es war keiner da, der mir hätte helfen können. Ich saà neben Steve wie seine Marionette und lachte auf Knopfdruck, wenn es gerade passend war. Und als sie wieder anfingen, mir vorzuwerfen, dass ich undankbar sei und sie mindestens 700 Mädchen an der Hand hätten, die den Song liebend gerne aufnehmen würden, platzte ich endgültig: âDann holt euch halt eines dieser Mädchen!â, rief ich und rannte aus dem Studio.
Eigentlich war das ziemlich lächerlich, da das Studio am Ende der Welt lag und ich ja mit meinem Manager hergefahren war. Doch es zeigte Wirkung. Diesmal liefen sie mir hinterher! âOkay, Déborah, wir ändern den Text ein wenig ab.â
Ich hatte gewonnen! Ich wischte mir die Tränen von den Augen und stellte mich hinter das Mikrofon. Ich höre heute noch heraus, dass ich während der Aufnahmen geweint habe, wenn ich das Lied laufen lasse. Hinter mir stand ein Kameramann, der alles filmte. Er muss sich auch gefragt haben, wo er da wohl gelandet war.
Nach den Aufnahmen arrangierte Steve ein Fotoshooting für die CD, komplett mit Stylistin. Eigentlich freute ich mich darauf, doch schon als ich reinkam, fielen die ersten Kommentare: âOh, die ist aber zu dick. Habt ihr die Hüften gesehen? Da muss unbedingt was weg! Und die Augenränder! So jung und doch schon so viele Falten!â
Ich dachte, ich höre nicht recht. Der absolute Knüller war, dass sie auf die Idee kamen, mir die Oberlippe aufzuspritzen! Wahrscheinlich hätten sie es auch direkt getan, wenn sie gerade eine Spritze zur Hand gehabt hätten! Da dies Gott sei Dank nicht der Fall war, schummelten sie mir nur mit Lipliner eine voluminösere Oberlippe. Ich könnte heute noch heulen, wenn ich die Bilder sehe! Pamela Anderson ist nichts dagegen!
Nach acht Stunden des Verbiegens und Posens waren wir endlich fertig, und ich war so erleichtert! Es war einfach nur schrecklich gewesen. Ich hörte weder ein Dankeschön noch ein Lob. Stattdessen bekam ich mit, wie Steve zum Fotografen sagte: âOh Mann, ich hoffe, wir holen ein (!) schönes Foto aus dem Shooting raus! Die kann ja echt gar nix. Mit der hab ich noch viel Arbeit vor mir.â
Ich hatte einen Bärenhunger, doch nach all den spitzen Bemerkungen über mein Gewicht traute ich mich nicht einmal, vor ihnen ein Gummibärchen in den Mund zu stecken. AuÃerdem rief Steve schon wieder: âLos, Mäuschen, ab ins Auto, wir müssen weiter ...â
Das âgute Mädchenâ im TV
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit überfielen mich wieder die alten Gedanken: Bist du vielleicht wirklich zu fett?
Ich war zum Glück etwas gefestigter geworden und nicht mehr in Gefahr, wieder magersüchtig zu werden. Dafür genoss ich das Leben und das Essen zu sehr. Doch gleichzeitig wollte ich möglichst gut aussehen, um auch Erfolg zu haben.
Wieder entwickelte ich ein neues Ritual, um abzunehmen.
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