So sinnlich wie dein Kuss
würde – mit Judd zusammenzuarbeiten, für den sie so viel empfand, und dabei zu wissen, welch skrupelloser Mensch er war!
Das ganze Wochenende hatte sie kaum geschlafen. Das billige Motel, in dem sie jetzt wohnte, lag an einer viel befahrenen Straße und zudem direkt neben einer gut besuchten Bar.
Am Freitag hatte sie das Haus verlassen, ohne zu wissen, wohin. Vorerst nahm sie sich ein einfaches Apartment, um sich sobald wie möglich eine Wohnung zu suchen. Aber die Krankenhausbesuche – bei denen sie es geschickt vermied, auf Judd zu treffen – ließen ihr dazu keine Zeit. Allein in ihrem Zimmer fühlte sie sich zwischen Selbstmitleid und Selbstvorwürfen hin- und hergerissen. Wie hatte sie auch so dumm sein können, einem hartherzigen Mann wie Judd Wilson ihr Herz zu schenken!
Obwohl sie sich felsenfest vorgenommen hatte, nicht dieselben Fehler wie ihre Mutter zu machen, war sie in genau dieses Muster verfallen. Sie hatte sich in einen Mann verliebt, der in ihr nicht die gleichwertige Partnerin sah. Der ihr nie mehr bieten würde als einen Job und ein Bett, in dem er mit ihr schlief.
Wenn sie doch ihre Gefühle einfach abstellen könnte! Judd hatte damit offenbar keine Probleme, denn an diesem Montag im Büro wirkte er gelassen und schien sich nur auf die Arbeit zu konzentrieren.
Während sie ihm die Post brachte, dachte sie, dass sie ihm dafür eigentlich dankbar sein sollte. Da er gerade telefonierte, legte sie ihm die Mappe aufgeschlagen hin und wollte gehen. Aber er hielt ihre Hand fest.
Sie sah ihn stirnrunzelnd an – und begegnete seinem nachdenklichen Blick. Als sie versuchte, die Hand wegzuziehen, ließ er sie nicht los.
Die Berührung war eine Qual für sie. Wie oft hatte er ihren Körper gestreichelt und sie mit seinen mal sanften, mal schnellen Berührungen um den Verstand gebracht … bei der Erinnerung daran hätte sie beinahe leise aufgestöhnt. Sie atmete heftig. Welche Leidenschaft – und dann das böse Erwachen!
Endlich legte er auf und ließ sie los.
„Nimm deine Tasche und komm mit. Wir fahren ins Krankenhaus“, sagte er mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
„Geht es Charles besser?“, fragte sie.
„Er ist aus dem Koma aufgewacht und hat nach uns gefragt. Nach uns beiden.“
Die Fahrt zum Krankenhaus erschien ihr endlos. Im Wageninneren war sie Judd so nahe, dass ihr Herz bis zum Halse schlug. Unauffällig betrachtete sie ihn: seine Hände auf dem Lenkrad, die entschlossene Kinnlinie …
Und wie gut er roch! Unweigerlich fühlte sie sich an ihre gemeinsamen Nächte erinnert, als sie sich in der Dunkelheit nur an seinem Duft und seinen Berührungen orientiert hatte. Als er sie bis zum Morgen geliebt und unendlich glücklich gemacht hatte.
Auf dem Weg vom Parkplatz zur Intensivstation achtete sie peinlich darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen.
„Aber einzeln nacheinander und nicht länger als fünf Minuten“, ordnete die Schwester an.
„Geh du zuerst“, sagte Judd. „Ich weiß doch, wie viel Charles dir bedeutet.“
Überrascht von seiner Rücksicht stutzte sie einen Moment, dann nickte sie und ging hinein.
Charles, der an viele Geräte angeschlossen war, schlug die Augen auf und lächelte.
„Oh, Charles.“ Anna spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. „Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht.“ Sie setzte sich auf den Besucherstuhl an seinem Bett.
Sein Lächeln verstärkte sich. „So kenne ich dich, Anna. Fürsorglich wie immer.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie überraschend fest. „Wie läuft es zwischen dir und meinem Jungen? Vor diesem kleinen Zwischenfall hatte ich die Hoffnung, dass da etwas ganz Besonderes entsteht …“
„Das war nicht nur ein kleiner Zwischenfall“, lenkte Anna ab. „In Zukunft musst du besser auf dich aufpassen. Ich habe dir schon eine Krankenschwester organisiert, wenn du wieder nach Hause kommst. Damit du Hilfe hast, bis du wieder ganz hergestellt bist.“
Sie verstummte. Wenn es nach Cynthia ging, gab es für ihn kein Zuhause mehr. Aber das sollte er in seinem jetzigen Zustand besser nicht erfahren.
Irgendwie musste sie Judd überreden, seinen Vater weiter unter dem Dach zu beherbergen, unter dem er seit mehr als dreißig Jahren lebte.
„Pah!“, machte Charles verächtlich. „Hör mir nur auf mit Krankenschwestern! Jetzt bin ich erst ein paar Stunden wach, und schon reicht es mir mit ihnen! Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Was ist mit dir und Judd?“
„Wir arbeiten gut
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