So soll er sterben
zwischen den beiden, von der Siobhan noch nichts wusste? Sie bezweifelte, dass die Eltern Bescheid wussten – schon der Gedanke würde die beiden aus der Fassung bringen. Sie ging zurück zur Theke, hob ihr Glas und blickte Malky, dem Barkeeper, direkt in die Augen.
»Leben die Eltern von Donny Cruikshank noch hier im Ort?«
»Sein Vater kommt oft hierher«, sagte einer der Gäste. »Ein braver Kerl, Eck Cruikshank. Hat ihn fast ins Grab gebracht, als Donny hinter Gitter kam…«
»Aber Donny hat nicht zu Hause gewohnt«, sagte Siobhan.
»Nicht seit er entlassen wurde«, erklärte der Mann.
»Seine Mutter wollte ihn nicht mehr im Haus haben«, schaltete Malky sich ein. Kurz darauf sprach der ganze Pub über die Cruikshanks, und die Polizistin in ihrer Mitte war vergessen.
»Donny war schon eine echte Plage…«
»Der war ein paar Monate mit meiner Tochter zusammen, konnte keiner Fliege was zuleide tun…«
»Der Vater arbeitet als Werkzeugmechaniker in Falkirk…«
»Ein solches Ende hat er nicht verdient…«
»So was verdient keiner…«
Siobhan nippte an ihrem Getränk und gab ab und an einen Kommentar von sich oder stellte eine Frage. Als ihr Glas leer war, wollten zwei der Gäste sie auf ein zweites einladen, aber sie schüttelte den Kopf.
»Die nächste Runde geht auf mich«, sagte sie und kramte in ihrer Tasche nach Geld.
»Ich lass mich doch nicht von einer Frau einladen«, protestierte einer. Doch er wehrte sich nicht, als das frisch gezapfte Pint vor ihn auf die Theke gestellt wurde. Siobhan steckte das Wechselgeld ein.
»Und als er wieder draußen war?«, fragte sie beiläufig. »Hat er da wieder mit den alten Freunden rumgehangen?«
Die Männer verstummten, und ihr wurde klar, dass sie nicht beiläufig genug gefragt hatte. Sie versuchte es mit einem Lächeln. »Es werden noch andere kommen und genau die gleichen Fragen stellen.«
»Das heißt noch lange nicht, dass wir auch antworten müssen«, sagte Malky streng. »Ein bisschen zwangloses Gerede, mehr nicht.«
Die Gäste nickten zustimmend.
»Wir ermitteln hier in einem Mordfall«, erinnerte Siobhan. Auf einmal war es kühl geworden im Pub, alle Sympathie eingefroren.
»Mag sein, aber wir sind keine Denunzianten«.
»Das erwartet auch niemand.«
Einer der Männer schob sein Bier zurück. »Ich kann mein Bier selber bezahlen«, sagte er. Der Mann neben ihm tat es ihm gleich.
Die Tür ging auf, und zwei Uniformierte traten ein. Einer trug ein Klemmbrett.
»Sie haben von dem Todesfall gehört?«, fragte er. Todesfall: netter Euphemismus, aber korrekt. Es war kein Mord, so lange der Pathologe nicht sein Urteil abgegeben hatte. Siobhan beschloss zu gehen. Der Beamte mit dem Klemmbrett wollte ihre Personalien aufnehmen. Sie zeigte ihm stattdessen ihren Dienstausweis.
Als sie draußen war, ertönte eine Hupe. Es war Les Young. Er hielt an, winkte sie zu sich heran und drehte das Fenster herunter.
»Hat die Spürnase aus der großen Stadt den Fall schon gelöst?«, fragte er.
Sie ignorierte die Frage und berichtete stattdessen von ihren Besuchen bei den Jardines, im Salon und im Bane.
»Dann haben Sie also kein Alkoholproblem?«, fragte er und schaute an ihr vorbei zum Pub. Als sie nicht antwortete, wurde ihm klar, dass er genug gestichelt hatte. »Gute Arbeit«, sagte er. »Vielleicht sollten wir einen Fachmann einschalten, um die Handschriften zu vergleichen und herauszufinden, wen Donny Cruikshank noch so zum Feind hatte.«
»Den einen oder anderen Fürsprecher hatte er auch«, entgegnete Siobhan. »Ein paar Männer sind der Meinung, dass er nicht in den Knast gehörte.«
»Vielleicht haben die sogar Recht…« Young bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Was nicht heißen soll, dass er unschuldig war. Nur… im Gefängnis werden Vergewaltiger in der Regel getrennt untergebracht, zu ihrer eigenen Sicherheit.«
»Und die Einzigen, zu denen sie Kontakt haben, sind andere Vergewaltiger?«, fragte Siobhan. »Glauben Sie, einer von denen könnte Cruikshank umgebracht haben?«
Young zuckte mit den Achseln. »Sie haben gesehen, wie viele Pornos er besaß– Raubkopien, CD-ROMs…«
»Und?«
»Mit seinem Computer konnte er die nicht machen. Er verfügte nicht über die Software und den entsprechenden Prozessor. Er muss sie also von irgendwoher gekriegt haben.«
»Versand? Sexshops?«
»Möglich…« Young nagte auf der Unterlippe.
Siobhan zögerte, bevor sie weitersprach. »Da ist noch etwas.«
»Was?«
»Ishbel Jardines Adressbuch
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