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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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reagierte etwas irritiert, weil »kein Mensch mehr irgendetwas ernst nimmt«. Jemand pflichtete ihr bei und faselte vom Verfall jeglicher Kultur. Rebus jedoch flüsterte ihr ins Ohr, wie er die Dinge sah: »Wir nehmen das Leben nie ernster, als wenn wir Witze drüber reißen…«
    Später, die Tische im Nebenraum hatten sich mit lautstarken Gästen gefüllt, wartete Rebus an der Theke auf seine Bestellung und bemerkte, dass Siobhan und Caro fehlten. Stirnrunzelnd blickte er zu einem der Stammgäste, der mit dem Kopf Richtung Damentoilette zeigte. Rebus nickte und bezahlte die Getränke. Er würde sich noch einen winzigen Whisky gönnen, bevor er den Laden verließ. Einen winzigen Laphroaig und die dritte… nein, vierte Zigarette… und das wär’s. Sobald Caro zurück war, würde er ihr anbieten, sie im Taxi mitzunehmen. Auf einmal waren oben auf der Treppe, die zu den Toiletten führte, laute Stimmen zu hören. Noch kein ausgewachsener Streit, aber auf dem besten Wege dahin. Die Leute stellten ihre Gespräche ein, um der Diskussion besser folgen zu können.
    »Was ich sagte, war lediglich, dass diese Menschen Arbeit brauchen, genau wie alle anderen auch!«
    »Meinen Sie nicht, dass die Wärter in den Konzentrationslagern genauso argumentiert haben?«
    »Meine Güte, das kann man nun wirklich nicht vergleichen!«
    »Wieso nicht? Moralisch gesehen sind beide gleich verwerflich…«
    Rebus ließ die Getränke stehen und drängte sich durch die Menge. Er hatte die beiden Stimmen erkannt: Caro und Siobhan.
    »Ich versuche nur zu erklären, dass das Ganze auch einen wirtschaftlichen Aspekt hat«, erklärte Siobhan den versammelten Kneipengästen. »Ob Ihnen das gefällt oder nicht: Wenn Sie zufällig in Banehall leben, ist Whitemire Ihre einzige Chance!«
    Caro Quinn verdrehte die Augen. »Ich glaub’s einfach nicht!«
    »Irgendwann werden Sie’s glauben müssen – nicht jeder hier draußen in der wirklichen Welt kann sich Ihr moralisches hohes Ross leisten. In Whitemire arbeiten auch allein erziehende Mütter. Glauben Sie, die werden es leichter haben, wenn Sie mit Ihren Vorstellungen durchkommen?«
    Rebus war oben angelangt. Die beiden Frauen standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, Siobhan ein Stückchen größer, Caro Quinn auf Zehenspitzen, um mit ihrer Gegenspielerin auf gleicher Augenhöhe zu sein.
    »Immer langsam mit den jungen Pferden«, sagte Rebus und versuchte es mit einem beschwichtigenden Lächeln. »Höre ich da vielleicht den Alkohol sprechen?«
    »Komm mir bloß nicht so väterlich!«, brummelte Quinn. Und zu Siobhan: »Was ist mit Guantánamo Bay? Wahrscheinlich haben Sie auch nichts dagegen, wenn Menschen eingesperrt und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden?«
    »Sie müssen sich nur mal selbst reden hören, Caro – Sie schmeißen alles in einen Topf! Mir ging es ausschließlich um Whitemire…«
    Rebus betrachtete Siobhan und sah die Wut der ganzen letzten Woche in ihr toben, sah, dass sie Dampf ablassen musste. Das Gleiche galt wohl für Caro. Der Streit hätte jederzeit ausbrechen können, zu jedem beliebigen Thema.
    Er hätte das viel früher erkennen müssen; jetzt unternahm er einen zweiten Beschwichtigungsversuch.
    »Meine Damen…«
    Nun starrten ihn beide mit wütendem Blick an.
    »Caro«, sagte er, »dein Taxi wartet draußen.«
    Aus dem wütenden Blick wurde ein Stirnrunzeln. Sie versuchte sich zu erinnern, eines gerufen zu haben. Er fixierte Siobhan, weil er wusste, dass sie ihm die Lüge ansah, und beobachtete, wie sich ihre Schultern entspannten.
    »Wir setzen das Gespräch ein andermal fort«, drängte er Caro. »Aber für heute sollten wir es gut sein lassen…«
    Er manövrierte Caro die Treppe hinunter und durch die Menge. Sah zu Harry hinüber und hielt sich einen imaginären Telefonhörer ans Ohr. Harry nickte: Er würde ein Taxi rufen.
    »Bis bald, Caro!«, rief einer der Stammgäste.
    »Nehmen Sie sich vor dem in Acht«, warnte ein anderer und stupste Rebus in die Brust.
    »Danke, Gordon«, sagte Rebus und schlug die Hand zur Seite.
    Draußen setzte sie sich auf den Bürgersteig, den Kopf in den Händen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Rebus.
    »Ich hab wohl etwas die Kontrolle verloren da drin.« Sie nahm die Hände vom Gesicht und atmete die Nachtluft ein. »Dabei bin ich nicht mal betrunken. Aber ich kann einfach nicht fassen, dass sich irgendjemand für dieses Gefängnis einsetzt!« Sie drehte sich um und betrachtete die Kneipentür, als erwäge

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