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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sie, sich noch einmal ins Getümmel zu stürzen. »Ich meine… sagen Sie mir, dass es Ihnen nicht so geht.« Sie starrte ihn an. Er schüttelte den Kopf.
    »Siobhan macht es Spaß, des Teufels Advokaten zu spielen«, erklärte er und ging neben ihr in die Hocke.
    Jetzt war es an Caro, den Kopf zu schütteln. »Nein, das war es nicht… sie hat das ernst gemeint. Sie sieht auch die
guten Seiten
von Whitemire.« Sie musterte ihn, um seine Reaktion auf diese Formulierung zu prüfen, die, wie er vermutete, wortwörtlich von Siobhan stammte.
    »Sie ist in letzter Zeit ziemlich oft in Banehall gewesen«, fuhr Rebus fort. »Es ist nicht so, dass die Jobs da auf der Straße liegen…«
    »Und das soll eine Rechtfertigung für dieses schreckliche Gefängnis sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es irgendeine Rechtfertigung gibt für Whitemire«, sagte er mit ruhiger Stimme.
    Sie nahm seine Hände und drückte sie. Er glaubte zu sehen, dass ihr Tränen in die Augen traten. Einige Minuten saßen sie schweigend so da. Rebus dachte zurück an die Zeit, als auch er noch Ideale gehabt hatte. Sie waren ihm frühzeitig ausgetrieben worden. Er war mit sechzehn in die Armee eingetreten. Na, vielleicht nicht direkt ausgetrieben, aber durch andere Werte ersetzt, die meistens weniger konkret, weniger leidenschaftlich waren. Inzwischen war er abgehärtet. Wenn er mit jemandem wie Mo Dirwan zu tun hatte, war seine erste Reaktion, den Betrüger in ihm zu suchen, den Heuchler, den geldgierigen Egoisten. Und bei jemandem wie Caro Quinn…?
    Am Anfang hatte er den typischen verwöhnten Mittelschichtgutmenschen in ihr gesehen. Dieses wohlfeile, liberale Leiden an der Welt – um einiges bekömmlicher als die nackte Realität. Aber es brauchte mehr als das, einen Menschen tagein, tagaus nach Whitemire zu treiben, von den Angestellten verachtet, von den Insassen kaum wahrgenommen. Es brauchte eine gehörige Portion Mumm.
    In diesem Moment erkannte er, wie sehr das an ihr zehrte. Sie hatte ihren Kopf wieder an seine Schulter gelehnt. Ihre Augen starrten das Gebäude auf der anderen Seite der schmalen Gasse an. Ein Friseursalon, mit rot-weiß gestreiftem Fahnenmast und allem Drum und Dran. Rot und weiß für Blut und Binden, dachte Rebus, auch wenn er keine Ahnung hatte, warum. Ein tuckernder Dieselmotor war zu hören, das Geräusch kam näher, und das Taxi tauchte sie ins Scheinwerferlicht.
    »Dein Taxi«, sagte Rebus und half Caro auf die Füße.
    »Ich kann mich immer noch nicht erinnern, eins gerufen zu haben«, gestand sie.
    »Hast du auch nicht«, sagte er mit einem Lächeln und hielt ihr die Wagentür auf.
    Kaffee, sagte sie, bedeutete genau das, keine Hintergedanken. Er nickte, er wollte dafür Sorge tragen, dass sie sicher in ihre Wohnung gelangte. Danach, dachte er, würde er zu Fuß nach Hause gehen, um etwas von dem Alkohol in seinem Blut zu verbrennen.
    Die Tür zu Ayishas Schlafzimmer war geschlossen. Sie schlichen auf Zehenspitzen daran vorbei ins Wohnzimmer, von dem die Küche abging. Während Caro Wasser aufsetzte, nahm er ihre Plattensammlung in Augenschein – ausschließlich Vinyl, keine CDs. Viele Alben, die er seit Jahren nicht gesehen hatte: Steppenwolf, Santana, Mahavishnu Orchestra… Caro kam mit einer Karte in der Hand zurück ins Zimmer.
    »Die lag auf dem Tisch«, sagte sie und reichte sie ihm. Ein Dankeschön für die Rassel. »Trinkst du auch koffeinfrei? Ansonsten gibt’s nur Pfefferminztee.«
    »Koffeinfrei ist in Ordnung.«
    Für sich selbst machte sie Tee, dessen Duft durch den kleinen Raum zog. »Ich bin gern auf nachts«, sagte sie und schaute aus dem Fenster. »Manchmal arbeite ich ein paar Stunden.«
    »Ich auch.«
    Sie schenkte ihm ein müdes Lächeln, setzte sich ihm gegenüber in den Sessel und pustete in ihren Tee. »Ich werde mir über dich nicht schlüssig, John. Bei den meisten Leuten weiß man innerhalb von dreißig Sekunden, ob sie auf der gleichen Wellenlänge sind wie man selbst oder nicht.«
    »Und ich, bin ich Mittel- oder Kurzwelle?«
    »Keine Ahnung.« Sie sprachen leise, um Mutter und Kind nicht zu wecken. Caro versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken.
    »Du solltest ins Bett«, sagte Rebus.
    Sie nickte. »Trink erst deinen Kaffee aus.«
    Doch er schüttelte den Kopf, stellte die Tasse auf die nackten Holzdielen und erhob sich. »Es ist spät.«
    »Tut mir Leid, wenn ich…«
    »Was?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Du bist mit Siobhan befreundet… das Oxford ist deine

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