So soll er sterben
bevor sie bemerkte, dass Young direkt vor dem Bibliothekar stehen geblieben war.
»Roy Brinkley?«, fragte er. Der junge Mann blickte auf.
»Das bin ich.«
»Könnten wir vielleicht kurz mit Ihnen sprechen?« Young zeigte in Richtung Ermittlungsbüro.
»Warum? Irgendwas nicht in Ordnung?«
»Doch, doch, keine Sorge, Roy. Wir brauchen nur ein paar Hintergrundinformationen…«
Während Brinkley hinter seinem Tresen hervorkam, trat Siobhan neben Les Young und stupste ihm mit dem Finger in die Seite.
»Tut mir Leid, aber wir haben keinen anderen Raum…«, entschuldigte sich Young bei dem Bibliothekar.
Er hatte für Brinkley einen Stuhl herangezogen, von dem aus er direkt auf die Fotos vom Tatort blickte. Siobhan wusste, dass Young log, dass das Gespräch gerade wegen der Fotos hier geführt wurde. Und so sehr der junge Mann sie auch zu ignorieren versuchte, sein Blick wanderte immer wieder zu den Fotos zurück. Der entsetzte Ausdruck auf seinem Gesicht hätte den allermeisten Richtern als Beweis seiner Unschuld genügt.
Roy Brinkley war Anfang zwanzig. Er trug ein offenes Jeanshemd; die braunen Locken reichten ihm bis zum Kragen. Er trug schmale, geflochtene Armbänder, aber keine Uhr. Siobhan würde ihn eher als hübsch denn als schön bezeichnen. Man hätte ihn ohne weiteres für siebzehn oder achtzehn halten können, und es war leicht zu erkennen, was Ishbel an ihm gefallen hatte. Doch Siobhan fragte sich, wie er mit ihren etwas derben Freundinnen zurechtgekommen war…
»Kannten Sie ihn?«, fragte Young. Beide Detectives standen. Young hatte sich an einen Tisch gelehnt, die Arme verschränkt, die Beine übergeschlagen. Siobhan stand ein Stückchen von Brinkley entfernt zu seiner Linken, sodass er sie aus dem Augenwinkel gerade noch wahrnehmen konnte.
»Weniger persönlich als mehr vom Hörensagen.«
»Sind Sie beide zusammen zur Schule gegangen?«
»Nicht im gleichen Jahrgang. Er war eigentlich kein Schlägertyp, eher der Klassenclown. Ich hatte immer das Gefühl, dass er nie so richtig seinen Platz gefunden hat.«
Siobhan musste an Alf McAteer denken, der für Alexis Carter den Hofnarren spielte.
»Aber das hier ist eine Kleinstadt«, wandte Young ein. »Sie müssen doch zumindest mal ein paar Worte mit ihm gewechselt haben.«
»Wir haben wahrscheinlich Hallo gesagt, wenn wir uns über den Weg gelaufen sind.«
»Sie hatten die Nase wohl meist in einem Buch, wie?«
»Ich mag Bücher…«
»Und was war mit Ihnen und Ishbel Jardine? Wie hat es angefangen?«
»Kennen gelernt haben wir uns in einer Disco…«
»Sie kannten sie nicht von der Schule?«
Brinkley zuckte mit den Achseln. »Sie war drei Jahre unter mir.«
»Okay, Sie haben sich also in dieser Disco kennen gelernt und sich dann verabredet?«
»Nicht direkt. Wir haben ein paar Mal miteinander getanzt, aber ich habe auch mit ihren Freundinnen getanzt.«
»Und wer sind diese Freundinnen, Roy?«, fragte Siobhan. Brinkley blickte von Young zu Siobhan und wieder zurück zu Young.
»Ich dachte, es geht um Donny Cruikshank.«
Young machte eine unverbindliche Geste. »Hintergrund, Roy«, sagte er.
Brinkley drehte sich zu Siobhan. »Es waren zwei: Janet und Susie.«
»Janet von Whitemire und Susie aus dem Salon?«, hakte sie nach. Der junge Mann nickte. »Und in welcher Disco war das?«
»Irgendwo in Falkirk… Ich glaube, der Laden hat dichtgemacht…« Nachdenklich zog er die Brauen zusammen.
»Das Albatross?«, fragte Siobhan.
»Das war’s, genau«, antwortete Brinkley mit heftigem Nicken.
»Sie kennen den Laden?«, fragte Les Young Siobhan.
»Er ist mir mal in Verbindung mit einem anderen Fall untergekommen«, erklärte sie.
»Ach?«
»Später«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf Brinkley, um Young wissen zu lassen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Er nickte zustimmend.
»Ishbel war ziemlich eng mit ihren Freundinnen, stimmt’s?«, erkundigte sich Siobhan.
»Klar.«
»Ist es nicht komisch, dass sie wegläuft, ohne den beiden irgendetwas zu sagen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Haben Sie die beiden danach gefragt?«
»Ich frage Sie.«
»Ich weiß keine Antwort.«
»Gut, wie steht es mit dieser Frage: Warum haben Sie sich getrennt?«
»Hatten uns wohl einfach auseinander gelebt, nehme ich an.«
»Es muss doch einen Grund gegeben haben«, hakte Les Young nach und trat einen Schritt auf Brinkley zu. »Hat sie Schluss gemacht, oder war es umgekehrt?«
»Es war eher eine gemeinsame Entscheidung.«
»Und
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