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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Haustürbefragungen hatten die Beamten an viele Türen vergeblich geklopft – auf einem ganzen Flur hatte fast niemand geöffnet. Waren sie zurückgekommen, um es noch einmal zu versuchen? Nein. Warum nicht? Weil die Mordkommission voll ausgelastet war. Und vielleicht auch, weil die Beamten sich nicht allzu viel Mühe gegeben hatten, weil das Opfer für sie nichts als eine Zahl in der Statistik war.
    Felix Storey ging da sehr viel gründlicher vor. Dieses Mal wurde an die Türen gehämmert, durch Briefschlitze gespäht. Dieses Mal ließen sie sich nicht so einfach abwimmeln. Die Einwanderungsbehörde – genau wie die Behörde für Zoll und Verbrauchssteuern – hatte größere Befugnisse als die Polizei. Sie konnten auch ohne Durchsuchungsbefehl Türen eintreten. »Begründeter Verdacht« lautete die Formel, die Rebus gehört hatte, und Storey hegte keinen Zweifel daran, dass begründeter Verdacht im Überfluss vorhanden war.
    Caro Quinn – bedroht, als sie in und um Stevenson House Fotos machen wollte.
    Mo Dirwan – angegriffen, als er bei seinen Befragungen in Stevenson House angelangt war.
    Rebus war um vier Uhr aufgestanden, um fünf hatte er Storeys anfeuernden Worten gelauscht – um ihn herum unausgeschlafene, verquollene Gesichter und der Geruch von Mundspray und Kaffee.
    Kurz danach ging es mit vier anderen im Wagen Richtung Knoxland. Viel geredet wurde nicht. Die Fenster waren heruntergekurbelt, damit die Scheiben des Saab nicht beschlugen. Vorbei an verdunkelten Geschäften, dann an Einfamilienhäusern, in denen die ersten Fenster bereits erleuchtet waren. Ein Autokonvoi, darunter einige Streifenwagen. Taxifahrer blickten ihnen nach. Sie wussten, dass irgendetwas im Busch war. Die Vögel mussten eigentlich schon wach sein, aber man hörte keinen Laut von ihnen, als die Wagen in Knoxland hielten.
    Nur die Autotüren, die leise geöffnet und geschlossen wurden.
    Flüstern und Gesten, ab und an ein unterdrücktes Husten. Jemand spuckte auf den Boden. Ein neugieriger Hund wurde verjagt, bevor er zu bellen anfangen konnte.
    Tritte auf den Treppenstufen, ein Geräusch wie von Sandpapier.
    Weitere Gesten, Flüstern. Alles ging auf dem Flur im dritten Stock in Position.
    Dem Stockwerk, in dem so viele Türen verschlossen geblieben waren.
    Sie standen da und warteten, je drei an einer Tür. Alle schauten auf die Uhr: Um Punkt Viertel vor sechs würden sie anfangen, gegen die Türen zu hämmern und zu rufen.
    Noch dreißig Sekunden.
    Doch dann war die Tür zum Treppenhaus aufgegangen, ein ausländischer Junge erschienen, einen langen Kittel über den Hosen, eine Einkaufstüte in der Hand. Die Tüte fiel zu Boden, und Milch ergoss sich über den Fußboden. Einer der Beamten legte den Finger an die Lippen, als der Junge gerade tief Luft holte und einen gewaltigen Schrei ausstieß.
    Hämmern gegen die Türen, das Klappern der Briefkästen. Der Junge hochgehoben und nach unten getragen. Der Beamte hinterließ milchige Fußspuren.
    Türen wurden geöffnet, andere mit der Schulter aufgestemmt. Zu sehen: Szenen häuslichen Lebens; Familien am Frühstückstisch.
    Wohnzimmer, in denen Menschen in Schlafsäcken oder unter Bettdecken auf dem Fußboden schliefen. Bis zu sieben oder acht in einem Zimmer, teilweise lagen sie sogar auf dem Flur.
    Kinder schrien vor Angst, die Augen weit aufgerissen. Ihre Mütter streckten die Arme nach ihnen aus. Junge Männer schlüpften in ihre Kleider oder umklammerten verschreckt den oberen Rand ihrer Schlafsäcke.
    Alte Menschen, die lauthals in verschiedenen Sprachen protestierten und mit den Händen fuchtelten wie bei einer Pantomime. Großeltern, denen diese neuerliche Demütigung nichts mehr anhaben konnte, die halb blind waren ohne ihre Brille, aber dennoch fest entschlossen, das äußerste Maß an Würde zu wahren, das in dieser Situation noch möglich war.
    Storey marschierte von Zimmer zu Zimmer, von Wohnung zu Wohnung. Er hatte drei Dolmetscher mitgebracht, nicht annähernd genug. Einer der Beamten reichte ihm ein Blatt Papier, das er von einer Wand gerissen hatte. Storey gab es an Rebus weiter. Es sah aus wie ein Dienstplan: die Adressen mehrerer Lebensmittelfirmen, eine Liste von Nachnamen neben den Schichten, für die sie eingeteilt waren. Rebus reichte das Blatt zurück. Er interessierte sich mehr für die überdimensionierten Plastiksäcke voller Stirnbänder und Zauberstäbe, die er in einem Flur entdeckt hatte. Er schaltete eines der Stirnbänder ein; die kleinen

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