So soll er sterben
Doppelbirnen blinkten rot. Er sah sich um, konnte aber den Jungen von der Lothian Road, der dort die gleiche Ware feilgeboten hatte, nicht entdecken. In der Küche verwelkende Rosen im Spülbecken, die Knospen noch immer fest geschlossen.
Die Dolmetscher hielten Überwachungsfotos von Bullen und Hill in die Höhe und fragten die Leute, ob sie die beiden kannten. Kopfschütteln und Deuten, aber auch hier und da ein Nicken. Ein Mann – Rebus hielt ihn für einen Chinesen – schrie in gebrochenem Englisch: »Wir viel Geld bezahlt, hierher kommen… viel Geld! Viel arbeiten… schicken Geld nach Hause. Wir arbeiten wollen! Arbeiten wollen!«
Ein Freund rief ihm etwas in seiner Muttersprache zu. Seine Augen richteten sich auf Rebus. Dieser nickte – er wusste, was der Mann gesagt hatte.
Spar dir den Atem.
Das interessiert sie nicht.
Sie interessieren sich nicht für uns… nicht für unsere Geschichte
.
Der Mann ging auf Rebus zu, doch der schüttelte den Kopf und deutete auf Felix Storey. Also blieb er vor Storey stehen. Er musste ihn am Ärmel zupfen, um sich bemerkbar zu machen.
Storey starrte ihn wütend an, doch der Mann ignorierte diesen Blick.
»Stuart Bullen«, sagte er. »Peter Hill.« Er wusste, dass ihm Storeys Aufmerksamkeit jetzt sicher war. »Das sind die Männer, die Sie suchen.«
»Sind bereits in Haft«, versicherte ihm der Mann von der Einwanderungsbehörde.
»Das ist gut«, sagte der andere ruhig. »Und haben Sie die gefunden, die sie umgebracht haben?«
Storey sah zu Rebus, dann wieder zu dem Mann.
»Könnten Sie das bitte wiederholen?«, fragte er.
Der Mann hieß Min Tan und stammte aus einem Dorf in Zentralchina. Er saß auf der Rückbank von Rebus’ Wagen, Storey daneben, Rebus auf dem Fahrersitz.
Sie parkten vor einer Bäckerei auf der Gorgie Road. Min Tan schlürfte geräuschvoll seinen zuckersüßen schwarzen Tee. Rebus hatte sein Getränk bereits entsorgt. Erst als er den dünnen, gräulichen Kaffee zum Mund geführt hatte, war es ihm wieder eingefallen: Genau hier hatte er sich an dem Nachmittag, als Stef Yurgiis Leiche gefunden worden war, jenen ungenießbaren Kaffee geholt. Trotzdem war die Bäckerei gut im Geschäft. Fast alle Pendler an der nahe gelegenen Bushaltestelle hielten Becher in der Hand. Andere bissen in ihre Frühstücksbrötchen mit Rührei und Würstchen.
Storey hatte die Befragung für einen Moment unterbrochen, um mit wem auch immer am anderen Ende der Leitung zu sprechen.
Storey stand vor einem Problem: Edinburghs Polizeireviere waren nicht in der Lage, alle Ausländer aus Knoxland unterzubringen. Es gab schlichtweg zu viele und nicht genügend Zellen. Er hatte bei den Gerichten angefragt, aber die litten ebenfalls unter Platzmangel. Also wurden die Leute fürs Erste in ihren Wohnungen bewacht, der dritte Stock in Stevenson House für Besucher gesperrt. Doch jetzt mangelte es an Arbeitskräften; die Beamten, die an Storeys Razzia beteiligt gewesen waren, wurden an ihren üblichen Stellen gebraucht. Sie konnten unmöglich als bessere Wachleute fungieren. Dabei war es für Felix Storey klar, dass, sollten nicht genügend Leute bereitgestellt werden, nichts die Einwanderer in Stevenson House daran hindern würde, an einer mickrigen Wachtruppe vorbei in die Freiheit zu stürmen.
Er hatte seine Vorgesetzten in London und andernorts angerufen und bei der Behörde für Zoll- und Verbrauchssteuern Hilfe angefordert.
»Erzählen Sie mir nicht, dass da nicht ein paar Umsatzsteuerbeamte rumsitzen und Däumchen drehen«, hörte Rebus ihn sagen. Was bedeutete, dass der Mann inzwischen nach jedem Strohhalm griff. Rebus war versucht zu fragen, warum man die armen Schlucker nicht einfach laufen ließ. Er hatte die Erschöpfung in ihren Gesichtern gesehen. Storey würde entgegnen, dass die meisten – vielleicht sogar alle – illegal ins Land gekommen oder ihre Visa und Aufenthaltsbewilligungen abgelaufen waren. Man betrachtete sie als Straftäter, aber für Rebus lag auf der Hand, dass sie auch Opfer waren. Min Tan hatte von der bitteren Armut in der Provinz gesprochen, aus der er stammte, von seiner »Pflicht«, Geld nach Hause zu schicken.
Pflicht – nicht gerade ein Wort, das Rebus allzu oft zu hören bekam.
Rebus hatte dem Mann etwas zu Essen aus der Bäckerei angeboten, doch der hatte ein wenig die Nase gerümpft – er war noch nicht verzweifelt genug, um sich an den regionalen Spezialitäten gütlich zu tun. Auch Storey hatte dankend abgelehnt, und nur Rebus
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