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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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beiden Männer liefen in das Gebäude, den Flur entlang und ins Vorzimmer. Die Tür zu Traynors Büro stand offen, und etliche Menschen drängten sich davor. Rebus und Storey schoben sich an ihnen vorbei. Eine Frau von der Wachmannschaft kniete neben einem auf dem Boden liegenden Körper. Überall war Blut – es sickerte in den Teppich und in Alan Traynors Hemd. Die Frau drückte mit dem Handballen auf eine Wunde an Traynors Handgelenk. Einer der Wachmänner tat das Gleiche am rechten, ebenfalls aufgeschlitzten Handgelenk. Traynor war bei Bewusstsein, starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Seine Brust hob und senkte sich, auch sein Gesicht war blutverschmiert.
    »Wir brauchen einen Arzt…«
    »Einen Krankenwagen…«
    »Kräftig drücken…«
    »Handtücher…«
    »Verbandszeug…«
    »Drück so fest du kannst!«, rief die Frau dem Mann zu. »Nicht lockerlassen!«
    Ja, nur nicht lockerlassen, dachte Rebus: Genau das hatten Storey und er getan.
    Auf Traynors Hemd lagen Scherben. Scherben vom Glas des gerahmten Fotos. Die Scherben, mit denen er sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte. Rebus spürte Storeys Blick und erwiderte ihn.
    Sie haben es gewusst, stimmt’s,
schien Storeys Blick zu sagen.
Sie wussten, dass so etwas passieren würde, und haben trotzdem nichts unternommen.
    Nichts.
    Nichts.
    Der Blick, den Rebus ihm zuwarf, sagte überhaupt nichts.
    Bei Ankunft des Krankenwagens stand Rebus dicht hinter dem Zaun und rauchte eine Zigarette. Als das Tor geöffnet wurde, schlüpfte er hindurch, ging am Wachhäuschen vorbei und dann auf der abschüssigen Straße zu Caro Quinn, die beobachtete, wie der Krankenwagen auf dem Gelände verschwand.
    »Doch nicht etwa ein weiterer Selbstmord?«, fragte sie erschrocken.
    »Ein Selbstmord
versuch
«, erläuterte Rebus. »Aber niemand von den Insassen.«
    »Sondern?«
    »Alan Traynor.«
    »Was?« Ihr gesamter Gesichtsausdruck wirkte wie ein Fragezeichen.
    »Hat versucht, sich die Pulsadern zu öffnen.«
    »Wird er’s überleben?«
    »Das weiß ich nicht. Für dich dürfte die Sache allerdings auch etwas Positives haben.«
    »Wie meinst du das?«
    »In den nächsten Tagen wird in dem Laden ganz schön die Kacke am Dampfen sein. Vielleicht wird er sogar dichtgemacht werden.«
    »Und das findest du positiv?«
    Rebus runzelte die Stirn. »Das hast du doch immer gewollt.«
    »Aber nicht auf diese Weise! Nicht auf Kosten eines weiteren Toten.«
    »Du hast mich missverstanden«, verteidigte sich Rebus.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Dann bist du paranoid.«
    Sie trat einen kleinen Schritt zurück. »Ist das dein Ernst.«
    »Hör mal, ich wollte bloß…«
    »Du kennst mich nicht, John. Du kennst mich
überhaupt
nicht.«
    Rebus schwieg, so als grübelte er über seine Antwort nach. »Damit kann ich leben«, sagte er schließlich, drehte sich um und ging zurück zum Tor.
    Storey wartete am Auto auf ihn. Sein einziger Kommentar: »Sie scheinen hier in der Gegend eine Menge Leute zu kennen.«
    Rebus schnaubte. Beide Männer verfolgten, wie einer der Sanitäter zum Krankenwagen trabte, weil er offenbar etwas vergessen hatte.
    »Wir hätten wohl besser
zwei
Krankenwagen gerufen«, meinte Storey.
    »Janet Eylot?«, tippte Rebus.
    Storey nickte. »Ihre Kollegen sind ziemlich besorgt. Sie liegt in einem der Büros auf dem Boden, eingewickelt in eine Decke, und zittert wie Espenlaub.«
    »Ich hab ihr gesagt, dass alles gut werden würde«, murmelte Rebus leise, fast wie zu sich selbst.
    »Dann werde ich mich in Zukunft wohl besser nicht auf Ihre Expertenmeinung verlassen.«
    »Nein«, sagte Rebus, »das sollten Sie auf keinen Fall tun…«

29
    Der Zug hatte fünfzehn Minuten Verspätung.
    Siobhan und Mangold warteten am Ende des Bahnsteigs und beobachteten, wie die Türen sich öffneten und die Passagiere herausströmten. Müde und desorientiert wirkende Touristen mit ihrem Gepäck, Geschäftsreisende, die sich aus den Erste-Klasse-Waggons schnurstracks zum Taxistand begaben, Mütter mit Kindern und Buggys, ältere Paare und einzelne Männer, die leicht benebelt aussahen, weil sie vermutlich mehrere Stunden an der Zugbar verbracht hatten.
    Doch von Ishbel keine Spur.
    Es war ein langer Bahnsteig, und der Zug hatte viele Türen. Siobhan drehte eifrig den Kopf hin und her, in der Hoffnung, sie doch noch zu entdecken, und registrierte dabei die mürrischen Blicke der Leute, die um sie herumgehen mussten.
    Plötzlich spürte sie Mangolds Hand auf ihrem Arm. »Da ist sie«, sagte er. Sie

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