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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Zusammenarbeit mit Kollegen wurde meist von Misstrauen begleitet. Tibbet ignorierte ihre Frage. Sie tippte mit dem Teelöffel gegen ihre Schneidezähne.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte sie. »Eine solche Diebstahlserie lässt auf eine oder mehrere organisierte Banden schließen… Da Sie den Zugfahrplan studieren, vermuten Sie, dass die Täter aus einer anderen Stadt kommen… Das bedeutet, die Diebstähle fangen erst nach der Ankunft eines bestimmten Zuges an und hören auf, sobald die Täter den Nachhauseweg angetreten haben.« Sie nickte. »Wie finden Sie mich bis jetzt?«
    »Die entscheidende Frage ist, woher die Diebe kommen«, antwortete Tibbet zögernd.
    »Newcastle?«, riet Siobhan. Tibbets Körpersprache verriet ihr, dass sie einen Volltreffer gelandet und das Spiel gewonnen hatte. Das Wasser kochte, sie goss ihren Becher voll und nahm ihn mit zum Schreibtisch.
    »Newcastle«, wiederholte sie und setzte sich.
    »Wenigstens tue ich etwas Sinnvolles – statt bloß im Internet zu surfen.«
    »Glauben Sie, dass ich das tue?«
    »Es sieht jedenfalls so aus.«
    »Also, zu Ihrer Information: Ich suche nach einer vermissten Person… und besuche alle Websites, die dabei hilfreich sein könnten.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass heute eine Vermisstenmeldung eingegangen ist.«
    Siobhan fluchte innerlich. Jetzt war
sie
in die Falle getappt.
    »Tja, ich suche trotzdem nach der Person. Und darf ich Sie daran erinnern, dass ich von uns beiden den höheren Dienstgrad habe?«
    »Heißt das, ich soll mich um meinen eigenen Kram kümmern?«
    »Ganz recht, DC Tibbet, das heißt es. Und keine Sorge – Newcastle gehört einzig und allein Ihnen.«
    »Vielleicht sollte ich mit den Kollegen dort sprechen, um zu erfahren, was sie über die örtlichen Verbrecherbanden wissen.«
    Siobhan nickte. »Tun Sie, was immer Sie für richtig halten, Col.«
    »Das ist nett von Ihnen, Shiv. Danke.«
    »Nennen Sie mich nie wieder so, sonst reiße ich Ihnen den Kopf ab.«
    »Alle hier nennen Sie Shiv«, protestierte Tibbet.
    »Stimmt, aber Sie werden die Ausnahme von der Regel sein. Sie nennen mich in Zukunft Siobhan.«
    Tibbet schwieg einen Moment, und Siobhan dachte, er beschäftige sich wieder mit seiner Bahnfahrplantheorie. Aber dann erklärte er: »Sie können es nicht leiden, Shiv genannt zu werden… aber das haben Sie noch nie jemand gesagt… Interessant…«
    Siobhan wollte ihn eigentlich fragen, was er damit meinte, ließ es dann aber bleiben. Sie glaubte ohnehin, den Grund zu kennen: Tibbet war der Ansicht, dass diese neue Information ihm eine gewisse Macht verlieh: eine kleine Brandbombe, die er aufbewahren konnte, um sie irgendwann zu zünden. Nicht nötig, sich deswegen Sorgen zu machen, ehe es so weit war. Siobhan konzentrierte sich auf den Bildschirm, beschloss, eine neue Internetsuche zu starten. Sie war schon auf mehreren Websites von Organisationen gewesen, die sich um vermisste Personen kümmerten. Oft wollten diese Leute keinen direkten Kontakt mit ihren nächsten Verwandten haben, sie aber dennoch wissen lassen, dass es ihnen gut ging. Die Organisationen boten an, mittels ihrer Website Nachrichten auszutauschen. Siobhan hatte einen Text verfasst und nach dreimaligem Überarbeiten auf verschiedenen virtuellen Anschlagbrettern hinterlassen.
    Ishbel – Mum und Dad vermissen dich, und deine Freundinnen auch. Melde dich bei uns, damit wir wissen, dass es dir gut geht. Vergiss niemals, dass wir dich lieben. Du fehlst uns.
    Siobhan glaubte, die Nachricht würde ihren Zweck erfüllen. Sie war weder zu sachlich noch zu emotional. Sie verriet nicht, dass die Suchmeldung von jemandem stammte, der nicht zu Ishbels unmittelbarer Umgebung gehörte. Und selbst wenn die Jardines gelogen und doch Streit mit ihrer Tochter gehabt hatten, würde Ishbel bei der Erwähnung der Freundinnen vielleicht ein schlechtes Gewissen bekommen. Siobhan hatte das Foto neben ihre Tastatur gelegt.
    »Freundinnen von Ihnen?«, hatte Tibbet vor einer Weile mit interessiertem Tonfall gefragt. Sie waren gut aussehende Mädchen, die im Pub und auf Partys im Mittelpunkt standen. Sie wussten, wie man sich amüsiert… Siobhan war klar, dass sie nie verstehen würde, was solche Mädchen umtrieb, aber das bedeutet nicht, dass sie es nicht weiter versuchen wollte. Sie verschickte noch einige E-Mails; diesmal an Polizeireviere. Sie kannte Kolleginnen in Dundee und Glasgow und informierte sie über Ishbels Verschwinden – nur den Namen und eine grobe

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