So soll er sterben
vor der Abzweigung zeigte eine Zapfsäule sowie Messer und Gabel. Siobhan bezweifelte jedoch, dass viele Reisende das Angebot nutzten, nachdem sie kurz zuvor einen Blick auf Banehall hatten werfen können. Der Ort sah trostlos aus: Reihenhauszeilen von Anfang des letzten Jahrhunderts, eine nicht mehr benutzte Kirche und eine Fabrikanlage in desolatem Zustand, die nicht den Eindruck erweckte, als sei dieses Unternehmen je besonders erfolgreich gewesen. Die Tankstelle – nicht mehr in Betrieb, in den Ritzen der Betonauffahrt wucherte Unkraut – war das Erste, an dem sie nach dem Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Banehall« vorbeikam. Das Schild hatte man allerdings übermalt, und jetzt stand »Wir sind The Bane« darauf. Die meisten Einwohner von Banehall, und nicht etwa nur die Teenager, nannten ihren Ort ohne jegliche Ironie »The Bane«– das Verderben. Ein anderes Straßenschild war von »Vorsicht – Kinder« zu »Vorsicht – Inder« geändert worden. Siobhan musste lächeln und sah suchend nach rechts und links, um den Friseursalon zu entdecken. Da es nur noch wenige, nicht verrammelte Läden gab, war das kein großes Problem. Der Friseursalon hieß schlicht »The Salon«. Siobhan hielt jedoch nicht an, sondern fuhr bis zum Ende der Main Street. Dort wendete sie, fuhr ein Stück zurück und bog in eine Wohnsiedlung ab.
Sie fand das Haus der Jardines relativ schnell, aber es war niemand zu Hause. Auch in der Nachbarschaft war kein Anzeichen von Leben zu sehen. Ein paar Autos am Straßenrand, ein Dreirad, dem eines der Räder fehlte. An vielen der mit Rauputz bedeckten Mauern war eine Satellitenschüssel befestigt. In einigen Wohnzimmerfenstern hingen selbst gebastelte Schilder: WHITEMIRE MUSS BLEIBEN. Whitemire, war, wie sie wusste, ein altes Gefängnis ein paar Kilometer außerhalb von Banehall. Zwei Jahre zuvor war es in eine Abschiebehaftanstalt umgewandelt worden und inzwischen wahrscheinlich der größte Arbeitgeber der Gegend… und es sollte noch vergrößert werden. Zurück auf der Main Street, stellte Siobhan fest, dass der einzige Pub dort den Namen The Bane trug. Sie war an keinem Café vorbeigekommen, nur an einem einsamen Imbiss. Der erschöpfte Reisende, der Messer und Gabel benutzen wollte, wäre gezwungen, sein Glück im Pub zu versuchen. Allerdings gab es keinen Hinweis darauf, ob man dort etwas zu essen bekam. Siobhan parkte und ging über die Straße zum Friseursalon. Auch hier hing ein Pro-Whitemire-Schild im Fenster.
Drinnen saßen zwei Frauen, die Kaffee tranken und rauchten. Es gab keine Kundschaft, und die beiden Friseusen wirkten nicht besonders begeistert darüber, dass sich das möglicherweise gerade ändern sollte. Siobhan holte ihren Dienstausweis heraus und stellte sich vor.
»Ich erinnere mich an Sie«, sagte die Jüngere. »Sie sind die Polizistin, die bei Tracys Beerdigung war. Sie haben Ishbel in der Kirche in den Arm genommen. Ich habe Mrs. Jardine anschließend gefragt, wer Sie waren.«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis, Susie«, erwiderte Siobhan. Weder Susie noch die andere Frau hatten es für nötig befunden aufzustehen, und Siobhan hätte sich höchstens auf einen der Friseurstühle setzen können, doch sie blieb lieber stehen.
»Ich hätte nichts gegen einen Kaffee, wenn Sie einen haben«, meinte sie im Plauderton.
Die ältere Frau erhob sich träge. Siobhan fiel auf, dass ihre Fingernägel kunstvoll mit bunten Wirbeln lackiert waren. »Milch ist alle«, sagte sie warnend.
»Ich nehme ihn auch schwarz.«
»Zucker?«
»Nein, danke.«
Die Frau schlurfte zu einer Kochnische an der Rückwand des Ladens. »Ich bin übrigens Angie«, sagte sie zu Siobhan. »Inhaberin dieses Salons und Promifriseuse.«
»Geht’s um Ishbel?«, fragte Susie.
Siobhan nickte und setzte sich auf den Platz, der auf der Polsterbank frei geworden war. Susie stand sofort auf, wie um der Nähe zu Siobhan zu entfliehen, und drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus. Sie ging zu einem der Frisierstühle, ließ sich darauf nieder, schob den drehbaren Stuhl mit ihren Füßen hin und her und musterte dabei ihre Frisur im Spiegel.
»Sie hat sich nicht gemeldet«, erklärte sie.
»Und Sie haben keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
Ein Achselzucken. »Ihre Mum und ihr Dad sind fix und fertig, mehr weiß ich auch nicht.«
»Was können Sie mir über den Mann sagen, mit dem Sie Ishbel gesehen haben?«
Erneutes Achselzucken. Sie spielte an ihrem Pony herum. »Nicht sehr groß,
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