So soll er sterben
gegen die Kälte. Hinter ihr ragte ein Zelt auf, gerade groß genug für eine Person. Daneben brannte ein Lagerfeuer, über dem ein Wasserkessel hing. Die Frau hielt eine Kerze, um deren Flamme sie schützend die Hand wölbte. Rebus betrachtete sie im Vorbeifahren. Sie hielt den Blick auf den Boden gerichtet, und ihre Lippen bewegten sich leicht. Fünfzig Meter weiter befand sich das Wachhäuschen. Wylie hielt an und hupte, aber es tat sich nichts. Rebus stieg aus und ging zu der Bude. Hinter der Scheibe saß ein Wachmann und kaute an einem Sandwich.
»Guten Tag«, sagte Rebus. Der Mann drückte auf einen Knopf, und seine Stimme ertönte aus einem Lautsprecher.
»Haben Sie einen Termin?«
»Den brauche ich nicht.« Rebus zückte seinen Dienstausweis. »Polizei.«
Der Wachmann wirkte unbeeindruckt. »Schieben Sie ihn durch.«
Rebus legte den Ausweis in eine Metallschublade und beobachtete, wie der Wachmann ihn herausnahm und studierte. Ein Telefonat wurde getätigt, aber Rebus konnte kein Wort verstehen. Anschließend schrieb der Wachmann Rebus’ Namen auf und drückte wieder auf den Knopf.
»Autonummer.«
Rebus tat wie befohlen, und ihm fiel auf, dass die drei letzten Buchstaben WYL lauteten. Wylie hatte Geld für Nummernschilder mit ihren Anfangsbuchstaben ausgegeben.
»Begleitet Sie jemand?«, fragte der Wachmann.
»Detective Sergeant Ellen Wylie.«
Der Wachmann forderte ihn auf, Wylie zu buchstabieren, und notierte auch ihren Namen. Rebus deutete auf die Frau am Straßenrand.
»Ist die ständig da?«, fragte er.
Der Wachmann schüttelte den Kopf.
»Sind Freunde oder Verwandte von ihr hier drin?«
»Bloß eine Spinnerin«, antwortete der Wachmann und schob Rebus’ Dienstausweis wieder durch. »Stellen Sie den Wagen auf einem der markierten Besucherparkplätze ab. Es kommt Sie jemand abholen.«
Rebus nickte dankend und ging zurück zum Volvo. Die Schranke öffnete sich automatisch, aber der Wachmann musste sein Häuschen verlassen, um das Tor dahinter aufzuschließen. Er winkte sie hindurch, und Rebus zeigte Wylie, wo sie parken sollte.
»Wie ich sehe, haben Sie Nummernschilder mit Ihren Anfangsbuchstaben.«
»Ja und?«
»Ich dachte immer, so etwas besorgen sich nur Männer.«
»Geschenk von meinem Freund«, verriet sie. »Hätte ich die Dinger umtauschen sollen?«
»Und wer ist Ihr Freund?«
»Das geht Sie gar nichts an«, erwiderte sie und warf ihm einen Blick zu, der ihm signalisierte, dass sie das Thema für erledigt hielt.
Der Parkplatz war durch einen weiteren Zaun vom Hauptgebäude getrennt. Offenbar wurde auf dem Gelände gebaut, denn es waren einige Fundamente zu erkennen. »Erfreulich, dass es wenigstens eine Wachstumsbranche in West Lothian gibt«, murmelte Rebus.
Aus dem Hauptgebäude kam ein Wachmann auf sie zu. Er öffnete eine Tür im Zaun und fragte, ob Wylie das Auto abgeschlossen hatte.
»Sogar die Alarmanlage ist eingeschaltet«, versicherte sie ihm. »Werden hier oft Autos geklaut?«
Der Scherz verfehlte seine Wirkung. »Bei uns sitzen einige Leute ein, die zu allem bereit sind.« Dann führte er sie zum Haupteingang. Dort stand ein Mann, der statt der grauen Uniform der Wachleute einen Anzug trug. Er nickte dem Wachmann zu, um zu signalisieren, dass er sich um die Besucher kümmern würde. Rebus betrachtete den schmucklosen Steinbau und die kleinen, hoch gelegenen Fenster in den Mauern. Rechts und links standen wesentlich neuere, weiß getünchte Anbauten.
»Ich heiße Alan Traynor«, sagte der Mann. Er schüttelte erst Rebus und dann Wylie die Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
Rebus zog eine Morgenausgabe von Hollys Zeitung aus der Tasche. Sie war auf der Seite mit dem Foto aufgeschlagen.
»Wir glauben, dass diese Personen sich hier befinden.«
»Tatsächlich? Und was bringt Sie auf den Gedanken?«
Rebus gab keine Antwort auf die Frage. »Der Nachname der drei lautet Yurgii.«
Traynor sah sich das Foto erneut an, dann nickte er. »Besser, Sie kommen mit«, sagte er.
Er führte sie in das Gefängnis hinein. Denn in Rebus’ Augen war es nichts anderes als das, ungeachtet der gestelzten offiziellen Bezeichnung. Traynor erläuterte die Sicherheitsvorkehrungen. Wenn sie normale Besucher gewesen wären, hätte man ihre Fingerabdrücke genommen, sie fotografiert und mit einem Metalldetektor abgetastet. Das Personal, an dem sie vorüber kamen, trug blaue Uniformen und einen Schlüsselbund an einer Kette. So wie in einem Gefängnis. Traynor war Anfang dreißig. Der
Weitere Kostenlose Bücher