So soll er sterben
betreffende Akte geben zu lassen.
»Läuft ja prima«, meinte Wylie halblaut.
»Und macht außerdem einen Heidenspaß.«
Als Traynor zurückkam, setzte Rebus erneut seine grimmige Miene auf. Der junge Mann nahm wieder Platz und blätterte in den Papieren. Die Geschichte, die er anschließend erzählte, klang, oberflächlich betrachtet, ganz simpel. Die Yurgiis, türkische Kurden, waren zuerst nach Deutschland eingereist und hatten erklärt, in ihrer Heimat sei ihr Leben bedroht. Mitglieder ihrer Familie seien grundlos eingesperrt worden. Der Familienvater hatte als Vornamen Stef angegeben… An dieser Stelle blickte Traynor auf.
»Sie besaßen keine Ausweise, keine Papiere, die bewiesen, dass sie die Wahrheit sagten. Der Name klingt nicht gerade Kurdisch, oder? Und außerdem… hier erklärt er, Journalist zu sein…«
Ja, ein Journalist, der kritische Artikel über die Regierung schrieb. Er benutzte etliche Pseudonyme, um seine Familie nicht zu gefährden. Als ein Onkel und ein Cousin spurlos verschwanden, vermutete man, dass sie verhaftet worden waren und man sie foltern würde, um Informationen über Stef zu bekommen.
»Gibt sein Alter mit neunundzwanzig an. Auch das könnte natürlich gelogen sein.«
Ehefrau fünfundzwanzig, Kinder sechs und vier. Sie hatten den deutschen Behörden gesagt, sie würden in Großbritannien leben wollen. Den Deutschen war das nur recht gewesen – vier Flüchtlinge weniger, die sie versorgen mussten. Die Ausländerbehörde in Glasgow hatte jedoch nach einer Anhörung beschlossen, die Familie abzuschieben – zuerst nach Deutschland, von wo aus man sie wahrscheinlich zurück in die Türkei schicken würde.
»Wie wurde die Entscheidung begründet?«, fragte Rebus.
»Die Yurgiis konnten nicht beweisen, dass sie keine Wirtschaftsflüchtlinge sind.«
»Schwieriges Unterfangen«, stellte Wylie fest und verschränkte die Arme. »Genauso wie der Beweis, dass man keine Hexe ist…«
»Diese Angelegenheiten werden mit größter Sorgfalt behandelt«, sagte Traynor, erneut in Abwehrhaltung.
»Wie lange sind die Frau und die Kinder schon hier?«, wollte Rebus wissen.
»Seit sieben Monaten.«
»Das ist ziemlich lang.«
»Mrs. Yurgii weigert sich auszureisen.«
»Kann sie das denn?«
»Sie hat einen Anwalt eingeschaltet.«
»Heißt er zufällig Mo Dirwan?«
»Ja, allerdings.«
Rebus fluchte innerlich. Wenn er Dirwans Angebot angenommen hätte, dann hätte
er
der Witwe die schlechte Nachricht überbringen können. »Spricht Mrs. Yurgii Englisch?«
»Ein bisschen.«
»Sie muss nach Edinburgh gebracht werden, um die Leiche zu identifizieren. Wird Sie das begreifen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Gibt es hier jemanden, der dolmetschen könnte?«
Traynor schüttelte den Kopf.
»Sind die Kinder bei ihr?«, fragte Wylie.
»Ja.«
»Den ganzen Tag?« Er nickte. »Muss denn das ältere der Kinder nicht zur Schule?«
»Es kommt eine Lehrerin her.«
»Wie viele Kinder halten sich hier auf?«
»Das schwankt stark.«
»Ich nehme an, sämtliche Altersstufen und viele verschiedene Nationalitäten.«
»Ja, Nigerianer, Russen, Somalier…«
»Und nur eine Lehrerin?«
Traynor lächelte. »Gehen Sie der Presse nicht auf den Leim, Detective Sergeant. Ich weiß, wir werden ›Schottlands Guantánamo‹ genannt… Demonstranten bilden eine Kette um unser Gelände…« Er verstummte, wirkte plötzlich müde. »Wir verwahren unsere Insassen nur. Wir sind keine Monster, und das hier ist kein Gefangenenlager. Die neuen Gebäude sind speziell für die Unterbringung von Familien konzipiert worden. Fernseher, eine Cafeteria, Tischtennisplatten und Süßigkeitenautomaten.«
»Und was davon findet man nicht auch in einem modernen Gefängnis?«, fragte Rebus.
»Wenn diese Leute, wie angeordnet, das Land verlassen hätten, wären sie nicht hier.« Traynor klopfte auf die Akte. »Die Behörden haben sich entschieden.« Er holte tief Luft. »Ich vermute, Sie wollen jetzt Mrs. Yurgii sehen…«
»Gleich«, sagte Rebus. »Zuerst erzählen Sie mir noch, was Ihre Unterlagen darüber verraten, wie Stef Yurgii sich dem Transport hierher entzogen hat.«
»Nur dass er, als die Polizei bei den Yurgiis vor der Tür stand.«
»Wo haben sie gewohnt?«
»Sighthill in Glasgow.«
»Eine bezaubernde Gegend.«
»Es gibt schlimmere, Inspector. Wie auch immer, als die Polizisten vor der Tür standen, war Yurgii nicht da. Seiner Frau zufolge verschwand er am Abend zuvor.«
»Wusste er, was bevorstand?«
»Das
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