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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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die beiden Männer packen und in den Raum schleifen konnten. Wieder hörte ich das Zischen und Knacken, nur das Stöhnen blieb aus, und als sie ihn herausrollten, sah ich nicht hin.
    »La fille anglaise«, sagte die Dicke. Keiner rührte sich.
    »La fille anglaise.«
    Sie kam auf mich zu und baute sich vor mir auf. »La fille anglaise«, wiederholte sie.
    Mir dämmerte, dass sie mich meinte, aber ich konnte nicht aufstehen. Meine Beine wollten mir nicht gehorchen, doch ich wollte auf keinen Fall, dass die Männer mit der Spritze wieder herauskamen. Ich versuchte, mich hochzustemmen, doch meine Hände waren so klamm, dass sie keinen Halt auf dem Vinyl fanden.
    Sie zog mich hoch. Irgendwie gelang es mir, auf den Beinen zu bleiben und ihr in den Raum zu folgen, in dem die anderen verschwunden waren.
    Es war ein kleiner Raum mit einem Tisch in der Mitte und einem großen schwarzen Kasten mit einer Skala darauf. Ich blickte auf die Buchstaben. »Hoffman«, stand da, doch das Wort ergab keinerlei Sinn für mich. Es war, als hätte ich keine Kontrolle mehr über meine Gedanken.
    Fünf Leute standen im Raum, allesamt mit weißen Masken und weißen Kitteln. Zwei von ihnen redeten miteinander, während mich die anderen schweigend musterten – nicht neugierig, freundlich oder gar feindselig. Stattdessen warteten sie lediglich darauf, dass ich etwas tat. Und ich wusste auch, was. Ich kletterte auf den Tisch mit dem Kopf zu dem großen schwarzen Kasten, und die drei traten an den Tisch. Ich zitterte so heftig, dass sie mich festhalten mussten. Sie taten mir weh. Sie drückten meine Glieder auf die Liege und schnallten mich fest.
    Die Gestalt oben am Kopfende war eine Frau, die Make-up trug – blauen Lidschatten und Rouge auf den Wangen. Ich versuchte, Blickkontakt mit ihr herzustellen, damit sie merkte, dass hier ein schreckliches Missverständnis vorlag, doch sie sah mich nicht einmal an, als wäre ich kein menschliches Wesen. Stattdessen schien ich für sie nicht mehr als ein Stofffetzen zu sein, den sie gleich flicken würde.
    Ich wollte etwas sagen, doch sie schob mir etwas in den Mund. Etwas Gummiartiges, das nach Autoreifen schmeckte. Ich fürchtete, mir würde gleich übel werden, und versuchte zu schreien, aber niemand nahm Notiz von mir. Sie legte mir irgendetwas über die Stirn und rieb meine Schläfen mit etwas Kaltem, Feuchtem ein.
    Mittlerweile konnte ich meinen Kopf keinen Millimeter mehr bewegen und bekam Panik. Ich sah den Mann mit der Maske näher kommen, wohl wissend, dass er eine Spritze in der Hand hatte. Und dann sah ich sie – eine riesige Nadel, die bis zum Anschlag mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. Ich wusste, dass er sie mir gleich ins Fleisch rammen würde, und begann mich zu winden, doch meine Arme und Beine waren festgeschnallt. Ich war außer mir vor Angst. Wo war meine Mutter? Wo war meine Mum? Wo war meine Mummy?
    Der Mann stieß mir die Spritze in die Hand. Fassungslos sah ich ihm zu. Wie konnte er eine so riesige Nadel in so eine kleine Hand jagen? Er begann zu zählen, und ich dachte noch, dass ich offensichtlich etwas gelernt hatte, denn ich verstand die Worte. »Un … deux … trois …«
    Dann die Erleichterung. Mit einem Mal war ich ganz ruhig und gelassen. Allerdings nicht lange, denn Sekunden später durchzuckte mich ein gewaltiger Stromstoß. Er schoss durch meinen Körper und riss mich herum wie eine Gliederpuppe. Ich spürte, wie mein Becken gen Zimmerdecke gerissen wurde. Es war mir ein Rätsel, wie mein Körper auf der Liege festgeschnallt bleiben konnte. Ein bläulicher Blitz flammte vor meinen Augen auf, dann verlor ich das Bewusstsein.
    Die Zeit hatte jegliche Bedeutung für mich verloren; Tage und Nächte glitten ineinander über, lediglich unterbrochen von der Gabe meiner Medikamente. Die Abläufe wiederholten sich mit einer Regelmäßigkeit, die mich an den Rand des Wahnsinns zu treiben drohte, und es schien höchst unwahrscheinlich, dass dieser endlose Kreislauf jemals durchbrochen werden würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich je wieder hier herauskäme. Die Abläufe waren den Strukturen der Organisation nicht unähnlich – in beiden Institutionen wurde gezielt versucht, das Gehirn zu paralysieren.
    Während alle Hoffnung schwand, zog ich mich immer weiter in mich zurück, bis ich nichts als ein winziger Punkt war; bis mich nichts als endlose Taubheit von meinem eigenen Inneren trennte; bis ich nichts als eine leere, umherschlurfende Hülle war.
    Über

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