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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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stehen, wobei wir einander prompt wie Dominosteine anstießen. Ich prallte gegen den Mann mit dem pickligen Genick, während die Hängebusen-Frau mich anrempelte. Erstaunlicherweise fiel keiner von uns um.
    Ich sah zur Decke, die nicht sonderlich hoch war, und bemerkte das Netz aus Leitungen und mehrere Ventilatoren. Wenn man groß war, könnte man die Hand ausstrecken und sie berühren. Falls man die Energie dafür aufbrachte.
    Abgesehen von einer Reihe Stühle mit zerschlissenen Vinylbezügen waren die Gänge leer. Bei manchen war das blaue Plastik aufgerissen, sodass die orangefarbene Sitzpolsterung herausquoll. Ich starrte auf die Farben. Es roch nach Schimmel und Urin. Ich hatte das Gefühl, als befänden wir uns weit unter der Erdoberfläche.
    Vielleicht war ich ja geradewegs in der Hölle gelandet.
    Unvermittelt kam Bewegung in die Schlange. Die Leute setzten sich. Ich ebenfalls. Einige begannen zu weinen. Keiner der Anwesenden nahm Blickkontakt auf, stattdessen starrten alle nur stumpf zu Boden. Auch ich ließ den Kopf hängen. Jede Bewegung schien unendlich viel Kraft zu erfordern, und an Sprechen war nicht einmal zu denken. Nicht dass ich etwas zu sagen gehabt hätte.
    Ich spürte einen Schweißtropfen, der sich in meiner Achselhöhle löste und über meinen nackten Körper und meinen Hüftknochen bis auf die Sitzfläche des Stuhls rann. Ich wartete darauf, dass er auf dem Betonboden landete, doch so weit kam er nicht. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
    Die Frau mit der weißen Schürze rief etwas, woraufhin ein winziger Mann aufstand, ohne den Blick vom Fußboden zu lösen. Er sah aus wie ein Geisteskranker, und ich fragte mich, ob ich wohl genauso aussah. Vorsichtig hob ich die Hand und berührte mein Gesicht, meine Lippen. Sie waren trocken und rissig. Ich betastete meine Wangen, die sich hohl anfühlten. Statt meines Haars bedeckten lediglich Stoppeln meinen Schädel. Jemand hatte meinen Kopf geschoren. Ich stieß einen leisen, wimmernden Laut aus. Mein Haar war immer so schön gewesen.
    Das Männchen folgte der Frau mit der weißen Schürze, die ihn in einen Raum zu ihrer Rechten führte. Nach einer Weile drangen schauerliche Geräusche aus dem Raum, ein Zischen und ein Knacken und ein Poltern und ein Stöhnen, kein Schrei, sondern eher das Heulen eines verendenden Tieres. Der Laut ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, und meine Beine begannen unkontrolliert zu zittern. Die weinende Frau mit dem Hängebusen wiegte sich auf ihrem Stuhl vor und zurück. Wo war ich hier? Was tat ich hier? Wie lange war ich schon hier? Am liebsten wäre ich aufgesprungen und weggelaufen, doch das war unmöglich; mein Körper fühlte sich tonnenschwer an.
    Zitternd vor Angst sah ich zu, wie das Männchen auf einer Liege aus dem Raum gerollt wurde. Im ersten Moment konnte ich ihn nicht ausmachen, da sie von zwei Männern in weißen Kitteln geschoben wurde. Das Männchen bewegte sich nicht mehr, sondern lag da, als wäre es tot. Vielleicht hatten sie ihn ja umgebracht.
    Meine Knie schlotterten so heftig, dass ich spürte, wie ich blaue Flecken an den Innenseiten bekam. Selbst meine Ellbogen bebten. Hier musste ein schreckliches Missverständnis vorliegen. Bestimmt kam gleich jemand, der mich hier rausholte. Oder? Meine Mutter? Wo war meine Mutter? Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein. Jemand musste mich retten. Mr   Steinberg? Irgendjemand.
    Mittlerweile bebte ich am ganzen Körper und spürte, wie mir der Schweiß in Strömen herablief. Ich konnte den Blick nicht von meinen Knien lösen, die mit unfassbarer Geschwindigkeit gegeneinander prallten. Ich wusste, dass ich bald an der Reihe war. Wo war meine Mum? Wann kam sie? Ich sah mich auf dem Korridor um, doch weit und breit war nichts von ihr zu sehen. Vielleicht lief sie oben durch die Gänge und suchte nach mir, versuchte fieberhaft, mich hier herauszuholen.
    Die dicke Frau rief einen weiteren Namen, und ein Schwarzer heulte auf. Er umklammerte seinen Stuhl und weigerte sich aufzustehen. Ich sah, wie er die Hacken in den Boden rammte. Sein Anblick machte mir Angst. Die Dicke blies in eine Pfeife, woraufhin zwei Männer aus dem rechten Zimmer kamen. Sie trugen weiße Masken, und einer hatte eine Spritze in der Hand. Der Schwarze schlang die Arme um die Stuhllehne, und ich sah seinen Penis unter dem Nachthemd hervorbaumeln. Der Spritzenmann rammte ihm die Nadel ins Bein, und Sekunden später schien der Schwarze völlig kraftlos zu sein, so dass ihn

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