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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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mir durchaus einleuchtend, dass meine Mutter dort oben Quartier bezogen hatte. Ich fragte mich, ob sie diejenige war, die hustete.
    Zunächst dachte ich, der Zugang sei zugebaut worden, doch dann entdeckte ich die Messingklinke hinter einer Reihe von Chemie-Utensilien. Ich schob die Laborkittel und die Kartons mit den Teströhrchen beiseite und drückte die Klinke herunter. Die Tür war nicht abgeschlossen, und als ich sie öffnete, schlug mir eine dichte Wolke Zigarettenrauch entgegen. Gauloises. Das Husten war noch lauter geworden, rasselnd und ungesund verschleimt.
    Ich trat auf den schmalen Absatz auf halber Höhe der Steintreppe. Der Husten hallte von den Wänden wider, was es schwierig machte, ihn genau zu lokalisieren. Ich vermutete, dass er von oben kam, und folgte meiner Nase.
    Es klang wie das Keuchen eines Todgeweihten. Rasselndes Japsen, gefolgt von einem leicht pfeifenden Atemzug, der klang, als spiele jemand Mundharmonika. Mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier lauschte ich und blieb vor einer Tür im nächsten Stockwerk stehen. Das war neu. Offenbar war hier umgebaut worden. Ich stand eindeutig vor dem Zuhause des Hustenden. Die Tür war angelehnt.
    Vorsichtig stieß ich sie ein Stück weit auf und blickte geradewegs in ein Apartment im typischen Stil der Organisation: zwei riesige, unbequem aussehende Sofas mit grünem Stoffbezug; an den Wänden hingen Renaissancebilder, daneben ein paar Gemälde, die aussahen, als stammten sie von diesem dämlichen Charles Grey, und eine weitere hässliche Skulptur. Mir fiel auf, dass die Einrichtung opulenter als in einem gewöhnlichen Heim der Organisation war: eine teuer aussehende Vase, ein goldener Buddha, ein Briefbeschwerer aus Jade, eine üppig verzierte Truhe.
    Es stank durchdringend nach Zigaretten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Mutter hier lebte, es sei denn, sie war zur Kampfraucherin geworden. Ich folgte dem Husten und durchquerte das Wohnzimmer, vorbei an einer Vase voll verblühter Rosen, einem glänzenden Silberaschenbecher, einem mit der obligatorischen spirituellen Literatur bestückten Regal und einem Klavier. Der Husten drang aus einem Zimmer nebenan.
    »Hallo?«, fragte ich und öffnete die Tür, hinter dem sich ein erstaunlich weitläufiger Raum verbarg. Schwer fiel die Tür hinter mir ins Schloss.
    Im ersten Moment konnte ich ihn in der Düsternis nicht ausmachen. Mein Blick fiel auf ein großes luxuriöses Himmelbett, auf dem sich zahllose Kissen türmten. Die Tapete und die Vorhänge bestanden aus blauem Seidenstoff. Auf der anderen Seite des Bettes stand ein großer Sauerstofftank mit einer Darth-Vader-Atemmaske. Daneben glomm eine Zigarette in einem Aschenbecher. Mehrere Stühle waren im Kreis um das Bett aufgestellt, als hätte gerade eine Versammlung stattgefunden, nur dass der bettlägerige Leiter der Zusammenkunft und die Teilnehmer fehlten.
    Dann sah ich ihn – ein kleiner, dicker, alter Mann in einem blauen Pyjama mit Paisleymuster lag auf dem Boden. Er hatte gerade einen quälend langen Hustenanfall hinter sich gebracht und sog nun erschreckend geräuschvoll und mühsam den Atem ein. Sein Gesicht war pflaumenrot angelaufen, und seine blutunterlaufenen Augen drohten aus den Höhlen zu quellen.
    Ich lief zu ihm und versuchte, seinen zwergenhaften Körper aufzurichten, doch er war erstaunlich schwer. Schließlich gelang es mir, und seine gequälten Atemzüge wurden ein wenig ruhiger. Mir fiel auf, dass sein Pyjama aus Seide war. Vorsichtig tätschelte ich ihm den Rücken und hob ein Glas Wasser an seine Lippen, aus dem er gierig trank. Irgendwie gelang es mir, ihn aufs Bett zu verfrachten, wobei mir seine bräunlich-schwarz verfärbten Finger auffielen. Er stank durchdringend nach Zigarettenrauch und Schweiß. Ich stopfte ihm mehrere Kissen in den Rücken, woraufhin der Husten vollends verebbte und er einige kurze Atemzüge machte.
    Er deutete auf den Sauerstofftank. Ich beugte mich hinüber und griff nach der Maske, die er sich aufs Gesicht presste und in langen Zügen gierig die Luft einsog. Verblüfft sah ich zu, wie er sie nach einigen Augenblicken sinken ließ, ohne zu zögern nach der glimmenden Zigarette griff und mehrmals daran zog, ehe er sie ausdrückte und eine neue aus dem Päckchen schüttelte.
    Ich war beeindruckt. Offenbar hatte ich es mit einem wirklich leidenschaftlichen Raucher zu tun.
    Im Zimmer war es nicht sonderlich warm, deshalb zog ich die Decke ein Stück hoch, während er noch immer mit dem

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