So still die Toten
einem strahlenden Lächeln betrat sie den Konferenzraum, als gehörte ihr die ganze Welt. Sie ging auf Micah Cross zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Guten Morgen.«
»Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss zu einer Feierlichkeit im Krankenhaus. Die neue Cross-Kinderabteilung wird heute eröffnet.«
»Ich habe davon gehört. Das ist sehr großzügig von Ihnen.«
Er winkte ab. »Sie haben sicher die Zeitung gelesen.« Cross stand am Kopf des Konferenztisches. Er trug einen dunklen, maßgeschneiderten Anzug, der seinen schlanken Körper perfekt zur Geltung brachte. An den Ärmeln des ebenfalls maßgeschneiderten Hemds glitzerten Manschettenknöpfe. Eine rote Seidenkrawatte vervollständigte das Outfit des erfolgreichen Mannes.
»Es ist auf jeden Fall ein beunruhigender Artikel.«
»Beunruhigend? Ms Carlson, Donovan deutet darin an, dass es einen Serienmörder gibt, der Ihre Mandanten umbringt.«
Zorn stieg in Angie auf, doch sie behielt ihr entspanntes Lächeln bei. »Möglicherweise ist Ihnen das nicht bekannt, aber zwischen Mr Donovan und mir gab es einmal eine persönliche Beziehung.«
Cross runzelte die Stirn. »Tatsächlich?«
»Das war im letzten Jahr.« Angie hasste es, ihr Privatleben gegenüber einem Mandanten ausbreiten zu müssen. »Um es kurz zu machen, wir haben uns getrennt, und jetzt tut er alles, um aus ein paar unzusammenhängenden Brocken eine Story zu machen.«
»Zwei Ihrer Mandantinnen sind ermordet worden.«
»Stimmt. Aber ich glaube nicht, dass ich der gemeinsame Nenner bin, der diese Frauen miteinander verbindet.«
»Was ist dann der gemeinsame Nenner?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Polizei mit Hochdruck daran arbeitet, es herauszufinden.«
»Hat man schon irgendwelche Fortschritte gemacht?«
»Ich weiß, dass rund um die Uhr daran gearbeitet wird.«
»Das heißt also Nein?«
»Geben Sie der Polizei noch ein bisschen Zeit, um den Fall aufzuklären.« Sie lächelte. »Mr Cross, Sie sind in keinerlei Gefahr.«
Er runzelte die Stirn. »Sind Sie sich da sicher?«
Angie zögerte kurz und seufzte dann. »Ich bin mir bei nichts im Leben vollkommen sicher. Aber soweit ich weiß, passen Sie nicht in das Muster des Killers.«
»Und was ist das für ein Muster?« Sein Interesse schien geweckt.
»Junge, verletzliche Frauen. Attraktiv. Blond. Sie versuchen, ihr Leben zu verändern. Haben womöglich ein paar Dinge hinter sich, die sie bereuen.« Beruhigend hob sie beide Hände. »Mr Cross, Sie sind in Sicherheit. Und Wellington & James ist genau die richtige Kanzlei für Sie.« Er nickte.
Sie hatte bisher vermieden, seinen Vater Darius zu erwähnen, doch sie wusste, sie musste die Verbindung zwischen ihnen beiden ansprechen. »Unsere Familien haben eine komplizierte Vergangenheit. Ich weiß, dass Sie für das Geschehene keinerlei Verantwortung tragen.«
Ein schiefes Lächeln verzog seine Lippen. »Das ist unser Tabuthema, nicht wahr?«
»Ja. Aber glauben Sie mir, ich bin der Überzeugung, dass man einem Kind die Sünden seiner Eltern nicht zur Last legen sollte.«
»Mutter. Ach, stimmt, Sie sind ja zu Mutter gefahren. Hat sie mit Ihnen gesprochen?«
»Ja. Sie hat von einer Affäre Ihres Vaters mit einer Angestellten meines Vaters erzählt. Aber das, was sie gesagt hat, hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.«
»Ganz meine Mutter. Bis zuletzt eine Spielerin.« Geistesabwesend drehte Micah Cross an dem Onyxring an seiner rechten Hand. »Die Polizei hat mich nach der Verbindung zwischen unseren Vätern gefragt. Genau wie Sie war ich noch ein kleines Kind, als unsere Väter zusammengearbeitet haben. Hat Mutter Ihnen sonst noch irgendwas gesagt?«
»Nein.«
Cross nickte. »Die Vergangenheit hat mit uns nichts zu tun, Ms Carlson. Es ist nur die Gegenwart, die mir im Moment Sorgen bereitet.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass Sie durch die derzeitigen Ereignisse keinen Schaden erleiden werden.«
Er betrachtete sie lange, dann nickte er. »Ich vertraue fest darauf.«
Malcolm und Garrison standen neben dem Metalltisch im Autopsieraum der Pathologie und betrachteten die verbrannten Leichen aus dem ehemaligen Burgerladen. Die Feuersbrunst hatte ganze Arbeit geleistet. Außer verkohlten Knochen war kaum etwas übrig.
»Können Sie eine Identifikation vornehmen?«, fragte Malcolm Dr. Henson.
Die blauen Augen der Ärztin musterten ihn durch die transparente Kunststoffmaske, die sie bei Autopsien trug. »Es wird eine Weile dauern. Ich habe nur wenig
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