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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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besänftigt, also schwieg sie lieber.
    Eva sagte rasch: »Morgen gibt es eine Anhörung.«
    »Morgen?«
    »Ich weiß. Ihr bisheriger Anwalt hat es ihr erst gestern gesagt.«
    »Okay.«
    »Lulu und ihre Mutter sollen zusammen vor dem Richter erscheinen, und der entscheidet, wer den Jungen bekommt.«
    »Es gibt jede Menge andere Anwälte.«
    »Ja, ich weiß. Aber sie ist zu mir gekommen und hat nach dir gefragt. Sie will dich.« Eva zog ein Foto aus der Tasche und reichte es Angie.
    Es zeigte einen Jungen, der vielleicht sechs Monate alt war. Er hatte strahlendblaue Augen und ein entzückendes Lächeln, bei dem Angie dahinschmolz.
    »Der Junge liebt seine Mutter wirklich«, sagte Eva ruhig. »Lulu hat das Umgangsrecht, und sie hat ihn letzte Woche besucht. Er vermisst sie.«
    Angie gab Eva das Foto zurück. »Ich bin davon überzeugt, dass er sie liebt.«
    »Lulus Mutter ist wunderbar. Aber sie ist nicht gesund.«
    »Was hat sie?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Aber sie hat dieses kranke, bleiche Aussehen, wie Mom kurz vor ihrer Diagnose.«
    Nachdem Frank sich von Angies Mutter Marian hatte scheiden lassen, hatte er das Sorgerecht beantragt und gewonnen. Die Vereinbarung sah vor, dass Angie ihre Mutter nur an einem Samstag im Monat besuchen durfte. Sie war nicht oft mit ihrer Mutter und Eva zusammen gewesen, und zu der Zeit, als ihre Mutter erkrankt war, war sie schon ausgezogen, um aufs College zu gehen. Ihr Vater hatte Angie nichts von der Krankheit ihrer Mutter erzählt, bis sie im Sterben lag.
    Als Kind hatte sie sich manchmal so sehr nach ihrer Mom gesehnt. In viel zu vielen Nächten hatte sie sich in den Schlaf geweint.
    Angie räusperte sich. »Ich verspreche nichts, Eva. Ich kann nichts entscheiden, bevor ich Lulu getroffen habe.«
    Evas Augen leuchteten auf. »Aber du wirst dich mit ihr treffen.«
    Angie stand auf, ging zu ihrer Aktentasche hinüber und zog einen in schwarzes Leder gebundenen Kalender heraus. Sie blätterte ein paar Seiten um. »Die Anhörung ist morgen, sagst du?«
    Eva erhob sich. »Ja. Donnerstag, Punkt zwölf.«
    »Viel Zeit haben wir nicht.«
    »Nein.«
    »Heute um eins hätte ich etwas Luft. Sag ihr, sie soll in die Kanzlei kommen. Und sie soll sich ja nicht verspäten, Eva. Im Moment suche ich nämlich nach einer Ausrede, um ihr abzusagen.«
    Eva nickte. »Ich werde es ihr ausrichten.« Sie hievte den Rucksack auf ihre Schulter. »Danke, Angie. Ich weiß, dass du das für mich tust.«
    »So ist es.«
    »Ich bin dir sehr dankbar.«
    In die gemischten Gefühle, die Angie zusetzten, stahl sich Zufriedenheit. »Gern geschehen.«
    »Ich gehe besser mal. Ich habe gleich eine Vorlesung und danach die Mittagsschicht im King’s.«
    »Warum arbeitest du da eigentlich noch? Bei deinem Köpfchen könntest du jeden Job haben.«
    Eva zuckte die Schultern, in ihrem Blick lag keine Spur von Unsicherheit. »Ich mag King und seinen Jungen, Bobby. Die beiden fühlen sich wie Familie an. Und das bedeutet mir mehr als alles andere.«
    Angie verstand. »Was ist mit diesem Freund von dir, Garrison?«
    »Was soll mit Deacon sein?«
    Es war nicht weiter erwähnenswert, dass Garrison seinem Partner Malcolm Kier geholfen hatte, Angie heute Morgen aufzuspüren. Er hatte nur seine Arbeit getan. »Er muss sich doch auch wie Familie anfühlen.«
    »Klar, wenn wir zusammen sind. Aber es gibt vieles, was das verhindert. Das College. Seine Arbeit. Meine Arbeit. Und gestern Abend haben wir uns gestritten.«
    Was verschwieg sie? »Schlimm?«
    »Nein.« Sie zögerte. »Nur viel zu tun.«
    Angie bedrängte sie nicht. Sie war nicht besonders glücklich über die Tatsache, dass ihre Schwester sich in eine ernste Beziehung gestürzt hatte. Eva hätte sich erst mal auf sich selbst konzentrieren sollen. Doch so gerne Angie auch gesagt hätte, was sie wirklich dachte, die zeitliche und räumliche Trennung hatte eine Kluft zwischen ihnen geschaffen, die sie noch nicht vollständig überwunden hatten. Manchmal hatte Angie einfach das Gefühl, als hätte sie nicht das Recht, Eva unter Druck zu setzen.
    »Sagst du mir Bescheid, wenn ich helfen kann?«
    »Immer.«

6
    Mittwoch, 5. Oktober, 11:00 Uhr
    Malcolm und Garrison kamen bei der Pathologie des Commonwealth Northern District an. Obwohl das Zentrum im Nachbarcounty lag, war es für die gesamte Region Nordvirginia einschließlich Alexandria zuständig.
    Sie schoben sich durch die Metalltüren und betraten Doktor Hensons Stockwerk. Als sie den gefliesten Gang entlanggingen, empfing

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