So still die Toten
mein Äußeres achten, wenn ich meinen Sohn wiederhaben will.«
Iris ging hinaus und verschwand durch den Gang.
Angie zog ihre Hand zurück. »Dann tun Sie das alles nur fürs Gericht? Ich kann Ihnen nämlich gleich sagen, ich werde Sie nicht vertreten, wenn Sie es nicht absolut ernst meinen.«
Lulus Finger krampften sich um den Griff ihrer Handtasche, aber ihr Blick blieb unbewegt. »Es ist mir absolut ernst. Ich will mein Kind zurück.«
»Kinder sind viel Arbeit, Lulu. Und Sie sind jung. Nach dem, was Eva mir erzählt hat, haben Sie ihr Leben gerade erst wieder ins Lot gebracht.«
»Ich weiß, dass ich in keinster Weise perfekt bin. Ich weiß, dass ich mehr Fehler gemacht habe, als gut für mich war. Aber ich liebe mein Kind, und ich will seine Mutter sein. Er ist das einzige wirklich Wunderbare, was ich je zustande gebracht habe.«
Was auch immer Lulus Motive in der Vergangenheit gewesen sein mochten oder welche es zukünftig sein würden, Angie wusste es nicht. Doch sie erkannte, dass die junge Frau im Moment für ihren Sohn Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde.
Sie deutete auf einen der Ledersessel vor ihrem Schreibtisch. »Nehmen Sie Platz.«
Lulu ging darauf zu, setzte sich jedoch nicht. »Sie fragen sich sicher, warum ich Sie ausgesucht habe.«
Angie zog die Augenbrauen hoch. »Eva hat mir gesagt, Sie bräuchten ein gemeines Miststück wie mich.«
Lulu zuckte weder zusammen, noch wirkte sie im Entferntesten schuldbewusst. »Das stimmt. Meine Mutter hat einen guten Anwalt, also brauche ich einen besseren. Ich weiß, dass Sie gut sind. Aber es ist nicht nur das.«
»Ich verstehe nicht.«
»Wenn Sie nicht wären, hätte ich meinen Sohn gar nicht. Als ich damals in den Zeugenstand ging, war ich auf einem sehr schlechten Weg. Ich nahm viele Drogen. Wenn Sie mich damals nicht auseinandergenommen hätten, wäre David schon vor der Geburt geschädigt worden.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Ich war so sauer.«
»Ich erinnere mich.«
»So sauer, dass mich jemand dazu gebracht hatte, mich dermaßen schlecht zu fühlen. Selbst wenn ich bei einem Freier war, hatte ich immer das Gefühl, die Oberhand zu haben. Sogar als Dixon mir die schlimmsten Dinge antat, dachte ich, ich würde da irgendwie wieder rauskommen. Aber bei Ihnen gab es kein Schlupfloch. Sie haben mich so fertiggemacht, wie es noch nie jemand zuvor getan hatte.«
Trotzig hob Angie das Kinn. Sie hatte ihre Arbeit gemacht. Sie hatte Lulu nicht als Mensch betrachtet. Die junge Frau war nur eine Hürde gewesen, die sie hatte nehmen müssen. Diesmal konnte sie sich nicht so leicht über sie hinwegsetzen. »Okay.«
»Wenn ich damals nicht ganz unten gewesen wäre, hätte ich immer so weitergemacht. Ich hatte eine solche Wut auf Sie und wollte Ihnen zeigen, dass ich ein besserer Mensch sein kann.«
Angie verschränkte die Finger. Sie traute ihrer Stimme im Moment nicht so recht.
Lulu kramte ein Foto aus ihrer Tasche und legte es auf den Schreibtisch. »Das ist das letzte Bild, das ich von David gemacht habe. Es ist von letzter Woche. Mom hat mich ihn nur eine halbe Stunde lang sehen lassen.«
Angie nahm das Foto in die Hand. Der Junge blickte Lulu an. Er lächelte, und seine Augen strahlten. Angie spürte einen Stich der Eifersucht auf diese junge Frau, die einem so vollkommenen Kind das Leben geschenkt hatte. Am liebsten hätte sie über die Locken gestrichen, die sein Gesicht umrahmten. Stattdessen legte sie das Foto wieder hin. »Warum hat Ihre Mutter die Besuchszeit beschränkt?«
»Das Gericht hat entschieden, dass mir nur eine halbe Stunde zusteht. Mom hält sich an die Regeln.«
»Sie versucht, das Kind zu schützen – Ihren Sohn.«
»Ich weiß. Ich verstehe das.«
Angie nahm einen Montblancfüller und zog einen Schreibblock zu sich heran. »Ich werde Ihnen helfen, aber ich muss wissen, ob Sie auf Drogen sind.«
»Bin ich nicht.«
»Ich könnte Sie also jetzt sofort einem Drogentest unterziehen.«
Lulu hob das Kinn. »Klar. Machen Sie nur.«
Eine ganze Weile musterte Angie sie. Ihr Instinkt sagte ihr, dass Lulu die Wahrheit sagte. »Ich habe ein paar Dinge aufgelistet, die Sie tun müssen.«
Lulu rutschte gespannt auf ihrem Sessel nach vorn. »Egal, was Sie von mir verlangen, ich werde es tun.«
»Erstens, wenn Sie sich noch mit Leuten treffen, die auf Drogen sind, müssen Sie sofort damit aufhören. Die können Sie im Handumdrehen in Schwierigkeiten bringen, und das würde Ihrem Anliegen
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