So still die Toten
sie sogleich der durchdringende Geruch nach Desinfektionsmittel. Leuchtstoffröhren verbreiteten ein grelles, geradezu steriles Licht.
Malcolm verabscheute diesen Ort. Er verabscheute den Geruch, die grauen Farbtöne und die Allgegenwart des Todes. Hierherzukommen, war ein notwendiges Übel, das er um der Arbeit willen ertrug.
Er sah auf die Uhr. »Henson hat die Knochen seit sieben Stunden. Sie meinte, sie würde sie sich sofort vornehmen.«
Bis zur Durchführung einer Autopsie dauerte es oft vierundzwanzig oder sogar achtundvierzig Stunden, aber wenn Dr. Henson sagte, sie habe einen Fall ganz oben auf die Liste gesetzt, dann hatte sie das auch getan.
Sie gelangten zur letzten Doppeltür, gingen hindurch und trafen die Pathologin in Labor drei an. Sie trug einen grünen Kittel, eine Maske mit Augenschutz und eine Kappe. Auf dem Metalltisch, über den sie sich beugte, waren die Knochen in anatomischer Anordnung ausgebreitet. Ihr Assistent Bruce, der ebenfalls einen Kittel trug, hielt ein Klemmbrett in der Hand.
»Dr. Henson«, sagte Malcolm.
Sie blickte auf. »Detectives.«
»Wir dachten, wir schauen mal vorbei, um zu sehen, wie Sie vorankommen.«
»Ich habe gerade erst die Unterlagen von Ms Days Zahnarzt bekommen und bereite den Abgleich mit den Zähnen der Unbekannten vor. Es könnte noch ein paar Stunden dauern, bis ich so weit bin.«
»Gibt es schon irgendetwas, das Sie uns sagen können?«
»Meine ersten Vermutungen treffen zu. Weiblich, Mitte zwanzig. Sie hatte gesunde Knochen. Litt nicht unter Mangelernährung und hatte eine gute zahnärztliche Versorgung. Vor nicht allzu langer Zeit wurden bei ihr Keramikverblendungen gemacht.«
»Sierras Ehemann hat gesagt, er habe seiner Frau Keramikverblendungen bezahlt«, meinte Malcolm.
Dr. Henson zog eine Augenbraue hoch. »Wirklich?«
Sie ging zu einem Schreibtisch hinüber und nahm eine Akte, aus der sie Röntgenbilder zog, die sie dann an einer Leuchtbox befestigte. »Ich kann genauso gut gleich einen Blick darauf werfen.«
Die Pathologin beugte sich vor und sah sich die Bilder genau an. »Sierra hatte tatsächlich Verblendungen im Frontbereich. Außerdem zwei Füllungen im rechten hinteren Backenzahn.« Sie ging zurück zum Metalltisch, nahm den Schädel hoch und begutachtete die Zähne. »Verblendungen, und der rechte hintere Backenzahn hat zwei Füllungen.«
»Sie meinen also, das es Sierra Day ist?«
»Ich werde DNA aus dem Knochenmark untersuchen, um hundertprozentig sicherzugehen.«
»Wir wissen beide, dass das Wochen oder sogar Monate dauern wird.«
»Sie hatte ziemlich unverwechselbare Zähne. Wenn ich mich jetzt festlegen müsste, würde ich sagen, die Tote ist Sierra Day.«
»Sie ist erst seit zehn Tagen verschwunden. Das reicht nicht für Mutter Natur, um die Knochen freizulegen.«
Dr. Henson nickte. »Nicht bei der momentanen Wetterlage. Zu kalt.« Sie nahm einen Knochen in die Hand. »Die Knochen weisen keinerlei Trauma auf. Ich kann noch nicht mal Spuren einer Säge oder einer Axt feststellen, die darauf hindeuten würden, dass sie zerhackt worden ist.«
»Sie ist doch nicht einfach so auseinandergefallen, Doc.«
Unter Dr. Hensons Kappe lugten Strähnen rotbraunen Haars hervor. »Nun, wenn man Fleisch und Sehnen von den Knochen ablöst, werden sie durch nichts mehr zusammengehalten und fallen auseinander.«
»Wie stellt man so etwas an? Mit Säure?«
»Ich glaube nicht, dass Säure verwendet wurde. Die hätte an den Knochen Spuren hinterlassen. Wenn ich eine Vermutung äußern müsste, würde ich sagen, das Fleisch wurde mazeriert.«
»Mazeriert?«
»Ja, in Wasser abgelöst. Es ist eine übliche Vorgehensweise.«
Malcolm stemmte die Hände in die Hüften. »Für wen?«
»Für Firmen, die Tierknochen für Museen präparieren. Haben Sie schon mal in einer Ausstellung ein Tierskelett gesehen?«
»Klar.«
»Nun, ich kann Ihnen versichern, dass die Knochen von der Natur nicht sauber, weiß und geruchlos geliefert werden.«
Garrison betrachtete die Knochen auf dem Tisch, die eine gelbliche Färbung hatten. »Bei aller Liebe, makellos sind die nicht.«
»Nun, es gibt noch ein paar zusätzliche Schritte. Als Nächstes kommt der Käfertank. Man legt die Knochen in einen Behälter voller fleischfressender Käfer, die das verbleibende Fleisch von den Knochen nagen. Diese Knochen hier sind völlig fleischfrei, haben also wahrscheinlich Schritt zwei hinter sich. Dann gibt es noch den Bleichvorgang. Diese Knochen haben eine stumpfe
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