So still die Toten
bei Gericht sind.«
»Warum?«
»Damit wir noch ein paar Fragen durchgehen können, die der Anwalt Ihrer Mutter stellen wird. Normalerweise nehme ich mir mehr Zeit für meine Mandanten, aber der Vorlauf ist extrem knapp, also werden wir einfach tun, was wir können.«
»Kann ich meinen Jungen zurückbekommen?«
Angie lächelte unverbindlich. »Erfüllen Sie Ihren Part, Lulu, dann erfülle ich meinen.«
Die junge Frau stand auf und hielt ihr die Hand hin. »Ich verspreche es, Ms Carlson. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Ich bin nicht diejenige, die sich auf Sie verlässt. Sondern David.«
Nach dem Besuch in der Pathologie wollten Malcolm und Garrison mit Dixon sprechen. Seine Vorgeschichte und seine Verbindung zu ihrem Opfer machten ihn verdächtig.
Malcolm vergewisserte sich zweimal, dass sie bei der richtigen Adresse waren. Früher hatte Dixon eine riesige Praxis gehabt – glänzendes Glas und blitzendes Chrom in einem Hochhaus in der Duke Street. Malcolm erinnerte sich noch gut an den Empfangsbereich, von dem aus man über den Potomac River und die Wilson Bridge auf die sanften Hügel blickte, die einst jahrhundertealte Plantagen wie Mount Vernon und Gunston Hall beheimatet hatten.
Damit verglichen waren Dixons neue Räumlichkeiten ein ziemlicher Abstieg. Die kleine Praxis in einer Seitenstraße der Van Dorn Street hatte einen beengten Empfangsbereich mit Bambusmöbeln, die aussahen, als gehörten sie eigentlich auf eine Veranda. Selbst seine Empfangsdame hatte gewechselt. Die große, schlanke Blondine mit den aufreizenden Brüsten und dem knackigen Hintern war verschwunden. Auf ihrem Platz saß eine Frau in den Fünfzigern mit ergrauendem Haar und missmutigem Gesicht. Das Wartezimmer war leer.
Der Medienrummel um Dixons Mordprozess hatte seinen Tribut gefordert. Ganz offensichtlich hatte er die Schönheitsbesessenen von Washingtons High Society abgeschreckt. Eigentlich hätte es Malcolm mit Genugtuung erfüllen müssen, dass der Doktor von seinem Sockel gestürzt war, aber so war es nicht. Dixon gehörte hinter Schloss und Riegel.
Malcolm schob seinen Frust beiseite, trat vor die Glasscheibe und hielt seine Marke in die Höhe. Mit unverändert ausdruckslosem Blick schob die Empfangsdame die Scheibe hoch. »Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«
»Ist der Doktor da?«
»Er ist in seinem Büro.«
»Sagen Sie ihm, Detective Kier und Detective Garrison sind hier.«
»Erwartet er Sie?«
»Er wird mit uns sprechen wollen.«
»Einen Moment.« Die Empfangsdame stand auf, ging einen kurzen Gang entlang und verschwand.
Damals beim Gerichtsverfahren hatte Malcolm gespürt, dass Dixon ihr Katz-und-Maus-Spiel genoss. All die Aufmerksamkeit, so verheerend sie für ihn auch war, hatte seinem Ego geschmeichelt. Stets hatte er ein selbstgefälliges Grinsen zur Schau getragen, als würde er ein Geheimnis kennen, das allen anderen verborgen blieb. Der Gesichtsausdruck hatte Garrison irritiert, doch Malcolm hatte er beinahe zur Weißglut getrieben. Es hatte im Gerichtssaal Momente gegeben, in denen er all seine Selbstbeherrschung hatte aufbringen müssen, um nicht nach vorne zu stürmen und das Ungeheuer in Menschengestalt zu erdrosseln.
Nach seinem Freispruch hatte Dixon sich von der Anklagebank erhoben, die Weste seines teuren dunklen Anzugs glatt gezogen und den Gerichtssaal verlassen. Bei den Presseinterviews hatte er geradezu gestrahlt. Er hatte vom Sieg der Gerechtigkeit gesprochen, von der Rückkehr zu seinem alten Leben und von seinen treuen Freunden und Patienten, die ihm so viel bedeuteten. Tatsächlich hatte er noch am selben Nachmittag die Praxis wieder eröffnet.
Als Malcolm nun den verblichenen grünen Teppich betrachtete, stieg Schadenfreude in ihm auf. »Wie tief die Mächtigen fallen können.«
Garrison lächelte, aber sein Blick war zornig. »Nicht tief genug.«
»Alles nur eine Frage der Zeit.«
»Du bist optimistisch.«
»Nein, verdammt. Ich bin entschlossen. Er wandert ins Gefängnis, versprochen.«
Garrison zuckte die Achseln. »Mach dich nicht verrückt wegen Dingen, die du nicht beeinflussen kannst.«
»Ich kann vieles nicht beeinflussen, aber Dixon hinter Gitter bringen kann ich durchaus.«
Die Empfangsdame kehrte zurück, ihr säuerliches Gesicht wirkte ein wenig besorgt. »Der Doktor hat jetzt Zeit für Sie.«
Malcolm und Garrison gingen den schmalen Gang hinunter, in dem Fotos von Dixon bei den verschiedensten offiziellen Anlässen hingen. Neben ihm standen mit
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