So still die Toten
mir anzuhängen.«
»Mir geht es nicht um Vergeltung, sondern darum, einen Mörder zu finden.«
»Menschen stürzen sich auf das, was ihre Ansichten untermauert. Was nicht in unser Weltbild passt, verwerfen wir. Und in ihrem beschränkten Weltbild bin ich ein Schurke.«
»Haben Sie sie umgebracht?«, fragte Garrison.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie mich das fragen.«
»Haben Sie Sierra Day getötet?« Diesmal klang Garrisons Stimme lauter.
»Ich sollte Ihren Vorgesetzten anrufen und verlangen, dass Sie eine Verwarnung bekommen.«
»Haben Sie sie getötet?«
Dixon sah Malcolm direkt in die Augen. »Nein.«
Einen langen, angespannten Augenblick lang fixierte Malcolm sein Gegenüber. Er hatte das Gefühl, dass der Arzt etwas mit der Sache zu tun hatte. Und er fürchtete, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor ihm wieder eine Frau zum Opfer fiel. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Dixon stand auf. »Das war’s also?«
»Im Moment ja.«
»Sollte ich mir einen Anwalt nehmen?«
»Das ist einzig und allein Ihre Sache.«
Langsam und bedächtig, als wäre alles in bester Ordnung, verließen die beiden Detectives die Praxis. Doch als sie im Auto saßen, umklammerte Malcolm das Lenkrad und hätte es am liebsten zerquetscht. »Dieser Schweinehund ist durch und durch schlecht. Ich weiß, dass er etwas mit Sierra Days Tod zu tun hat.«
»Wissen und Beweisen sind zwei verschiedene Dinge.«
Malcolm schwieg einen Moment. »Es ist ein Bauchgefühl.«
»Überprüfen wir mal, was er in letzter Zeit gemacht hat. Wir brauchen mehr als dein Bauchgefühl.«
Malcolm ließ den Motor an. »Am liebsten würde ich ihn beschatten lassen.«
»So gern ich das täte, wir haben keinen triftigen Grund.«
Malcolm fuhr rückwärts vom Parkplatz und trat aufs Gas. »Dann lass uns einen finden.«
7
Mittwoch, 5. Oktober, 17:00 Uhr
Malcolm und Garrison kamen um kurz nach fünf beim Springfield Theatre in Annandale an, wo sie mit Sierras ehemaligem Liebhaber Marty Gold sprechen wollten. Sie hatten vorher angerufen und erfahren, dass bei der heutigen Probe die neue
Hamlet
-Inszenierung auf dem Plan stand. Marty würde daran teilnehmen.
Das Springfield Theatre war deutlich kleiner als das West End Theater, es lag am Ende einer Einkaufszeile, und der Haupteingang war nur ein paar Meter von einem Drugstore entfernt. Trotzdem hatten die Besitzer keine Mühe gescheut, die Fenster geschwärzt und Werbeplakate für die neuen Stücke aufgehängt.
Die Detectives schoben sich durch die gläserne Doppeltür und betraten ein kleines Foyer, das mithilfe eines schwarzen Vorhangs vom hinteren Bereich des Raumes abgetrennt war. Ein geraffter Durchgang verband die beiden Bereiche. In einem Glastresen lagen T-Shirts mit der Aufschrift
Springfield Theatre!
, die man käuflich erwerben konnte.
Hinter dem Tresen stand eine große, schlanke Frau mit schwarzem Haar, das sie zu einem Knoten geschlungenen hatte. Ihre Haut war blass, und zu ihrem schwarzen Rock trug sie ein Tänzerinnentrikot. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Wir würden gerne mit Marty Gold sprechen.«
Eine dünne, sorgfältig gezupfte Augenbraue wurde abschätzig hochgezogen. »Er ist bei der Probe.«
Malcolm bemühte sich um ein Lächeln, doch er merkte, wie seine Geduld nachließ. Er war seit beinahe vierundzwanzig Stunden auf den Beinen, und in seinem Hinterkopf pulsierte ein dumpfer Schmerz. Er zückte seine Dienstmarke. »Polizei.«
Die Frau würdigte die Marke keines Blickes. »Sie finden ihn auf der Bühne. Es ist der mit dem Schädel in der Hand.«
»Schädel?«
»Eine Requisite. Er ist Hamlet. Der Schädel gehört seinem toten Vater.«
»Entzückend.«
Durch den Vorhang betraten sie den Bühnenbereich. Fußboden, Decke und Wände waren schwarz gestrichen, mit silbernen Sprenkeln. Dunkle Metallstühle bildeten einen Halbkreis um eine einfache, etwa dreißig Zentimeter hohe Holzbühne. »Nicht so schick wie das West End.«
»Jeder muss schließlich irgendwo anfangen«, meinte Garrison.
»Ja.« Malcolm hielt seine Dienstmarke hoch und sagte laut: »Polizei. Wir möchten mit Marty Gold sprechen.« Sein Blick blieb an dem Mann mit dem Schädel hängen, der sie wie ein erschrockenes Reh anstarrte. Er war klein und hatte schütter werdendes blondes Haar. Dunkle Leggins und ein Waffenrock betonten seine kräftige Gestalt. »Sind Sie Marty?«
»Ja, ich bin Marty.«
Malcolm winkte ihn mit dem Finger heran. »Haben Sie eine Minute Zeit?«
Der Mann
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