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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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es war gefährlich, sich im Banalen zu verlieren. Aus Routine konnte im Bruchteil einer Sekunde eine Explosion der Gewalt werden.
    Die Treppe in den dritten Stock wurde nach oben hin schmaler. Sie fanden die Wohnung und klopften. Beim dritten Klopfen wurde die Tür geöffnet.
    Die Frau, die vor ihnen stand, trug einen dunklen Hosenanzug und eine weiße Seidenbluse und sah aus, als wäre sie gerade von der Arbeit gekommen. Ihr braunes Haar war zu einem festen Pferdeschwanz zusammengebunden. Er betonte die hohen Wangenknochen und eine Pfirsichhaut, die keinerlei Make-up nötig hatte.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau.
    Garrison zog seine Dienstmarke hervor. »Wir kommen von der Alexandria City Police. Sind Sie Zoe Morgan?«
    Ihre Schultern verspannten sich fast unmerklich. »Ja. Was gibt es denn?«
    »Dürfen wir hereinkommen?«, schlug Malcolm vor.
    »Sagen Sie mir erst, worum es geht.«
    »Um ihre Mitbewohnerin«, erwiderte Malcolm. »Sie wurde gestern tot aufgefunden.«
    Zoe wirkte entsetzt. Sie trat beiseite. »Kommen Sie herein.«
    Die Wohnung war hübsch eingerichtet. Eine Couch mit Blumenmuster, zwei Sessel, ein Flachbildfernseher, ein Einbauregal voller Bücher, und durch das große Fenster strömte das schwächer werdende Nachmittagslicht in die Wohnung. An mehreren Wänden hingen Plakate von Ballettaufführungen:
Giselle
,
Schwanensee
,
Nussknacker
.
    Malcolm verbarg sein Wohlgefallen nicht. Er hatte festgestellt, dass Wohnungen eine Menge über Menschen aussagten. »Seit wann war Sierra Day Ihre Mitbewohnerin?«
    Zoe verschränkte die Arme vor der Brust. »Ungefähr seit einem Monat. Es sollten nur ein paar Tage werden, aber bei Sierra hätte ich es mir gleich denken sollen. Wenn sie erst einmal irgendwo ist, wird man sie kaum wieder los.«
    »Sie beide waren befreundet?«
    »Befreundet würde ich nicht sagen. Eher Bekannte. Ich bin die Marketingleiterin des Washington Ballett. Sierra hat an fast allen Theatern der Stadt gearbeitet. Wir kannten dieselben Leute. Als sie mich gefragt hat, ob sie ein paar Nächte bleiben könnte, wollte ich einfach nur nett sein.«
    »Wie haben Sie beide sich kennengelernt?«
    »Sie war vor ein paar Jahren in einem Stück meine Zweitbesetzung.«
    »Sie sind also die Schauspielerin, die plötzlich kurz vor der Premiere erkrankt ist?«
    Die dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Woher wissen Sie das?«
    »Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, Sierra hätte Ihnen etwas gegeben, damit Ihnen schlecht wurde und sie Ihre Rolle übernehmen konnte.«
    Zoe runzelte die Stirn. »Das stimmt nicht.«
    »Was hatten Sie denn dann?«
    Sie zögerte. »Eine Lebensmittelvergiftung.«
    »Das ist wirklich Pech.«
    Zoe war kühl und beherrscht. »Eigentlich nicht. Nachdem ich nicht mehr tanzen konnte, habe ich es mit dem Schauspielern versucht. Aber Theaterspielen war nichts für mich. Ein paar Wochen, nachdem das Stück abgesetzt wurde, habe ich als Marketingleiterin beim Ballett angefangen.«
    »Wieso haben Sie Sierra hier einziehen lassen?«
    »Sie brauchte ein Dach über dem Kopf. Diese Geschichte im Theater war doch Schnee von gestern.«
    »Okay.«
    Zoe verschränkte wieder die Arme. »Wo haben Sie sie gefunden?«
    »Im Angel Park.«
    Zoe zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«
    »Hat das eine Bedeutung?«, fragte Malcolm.
    »In einer ihrer letzten Kritiken stand, sie sei ein ›Engel der Bühne‹. Das hat ihr gefallen, und sie hat es oft erzählt.«
    »Haben das viele Leute gehört?«, fragte Garrison.
    »So wie ich Sierra kenne, ja. Sie neigte nicht zu Bescheidenheit. Wie ist sie denn gestorben?«
    Malcolm hätte darauf gewettet, dass Zoe ebenfalls nicht zu Bescheidenheit neigte. »Wir sind noch dabei, das zu rekonstruieren. Hat sie Ihnen Miete bezahlt?«
    Um Zoes Lippen zuckte ein Lächeln. »Keinen Cent. Aber es sollte ja auch nur für ein paar Tage sein.«
    »Wie lange ist es her, seit Sie sie zuletzt gesehen haben?«
    Auf ihrer glatten Stirn bildete sich eine Falte. »Zehn oder elf Tage, glaube ich.«
    »Es hat Sie nicht überrascht, dass sie so lange nicht nach Hause gekommen ist?«, fragte Garrison.
    »Nein. Sie ist von Anfang an gekommen und gegangen, wie es ihr passte. Letzten Freitag ist es mir auf einmal aufgefallen, und ich habe überlegt, ob sie zwischendurch nach Hause gekommen sein könnte. Ich habe einen Blick in ihr Zimmer geworfen, hätte aber nicht sagen können, ob sie da gewesen war oder nicht. Es war immer ein riesiges Durcheinander. Samstag früh bin ich

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