Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
Vom Netzwerk:
zu einem Seminar gefahren und erst heute zurückgekommen.«
    »Wo war das Seminar?«
    »In New York. Es war ein medizinischer Kongress über Heilungsmöglichkeiten bei alten Verletzungen.«
    »Sie wollen wieder tanzen?«, fragte Malcolm.
    Ihre Finger krampften sich um ihre Unterarme. »Eigentlich ja. Ich war früher eine sehr talentierte Tänzerin. Ein Autounfall hat dem ein Ende bereitet. Ich hatte gehofft, ich würde bei dem Seminar etwas über neue Methoden lernen, um mein rechtes Fußgelenk zu kräftigen.«
    »Und hatten Sie Erfolg?«
    »Nein.« Aus der knappen Antwort sprach deutlich ihre Enttäuschung.
    »Sie haben Ihre Mitbewohnerin also ein bisschen aus den Augen verloren?«
    »Ja.« Sie seufzte. »Ich hatte in diese Reise große Hoffnungen gesetzt und war mit meinen Gedanken woanders. Mit Sierra wollte ich mich nach meiner Rückkehr auseinandersetzen.«
    »Können wir ihr Zimmer sehen?«, fragte Malcolm.
    »Nur zu.«
    Sie durchquerte das Wohnzimmer und öffnete die Tür zum Gästezimmer. Der Kontrast zwischen dem Wohnraum und Sierras Zimmer war riesig. Der Fußboden war übersät mit Kleidern, teils in unordentlichen Haufen, teils gefaltet in grünen Müllsäcken. Mitten auf dem ungemachten Bett lag ein Pizzakarton. Die Frisierkommode war voller Schminksachen, und daneben standen Tassen auf dem Boden. Am Spiegel hing eine Unmenge Schmuck.
    »Wie Sie sehen, ist es schwer zu sagen, wann sie kam oder ging. So sah das Zimmer seit dem Abend ihres Einzugs aus.« Zoe schüttelte den Kopf. »Sie war anstrengend, aber es tut mir leid um sie.«
    »Was können Sie uns sonst noch über sie erzählen?«, fragte Malcolm. Er ging zur Frisierkommode und nahm einen Lippenstift in die Hand. Er öffnete ihn und betrachtete das helle, kräftige Rot.
    »Nichts, was Ihnen nicht auch jeder andere erzählen könnte. Ehrgeizig. Getrieben. Für den Erfolg hätte sie alles getan.«
    »Alles?«
    »So ziemlich.«
    Malcolm betrachtete die Schminksachen und fragte sich, wie Sierra es bei der riesigen Auswahl geschafft hatte, ihr tägliches Make-up zusammenzustellen. Zwischen den Schminkutensilien lagen eine Schachtel Diätpillen, eine Packung Kondome und eine zusammengeknüllte schwarze Strumpfhose. Sein Blick fiel auf ein Paar hochhackige Schuhe, schwarz mit roten Sohlen, die auf dem Boden standen. Er hob sie auf und betrachtete sie. Teuer.
    Als er sich zu Zoe umdrehte, stach ihm eine Visitenkarte ins Auge, die in einer Ecke des Spiegels steckte. Dr. James Dixon.
    »Ich vermute, Sie kennen Dixons Vergangenheit«, meinte Zoe, der sein Blick nicht entgangen war. »Ich habe Sierra gesagt, sie soll sich von ihm fernhalten – nach allem, was er mit dieser Prostituierten gemacht hat.«
    »Wissen Sie, wie die beiden sich kennengelernt haben?«
    »Eigentlich durch mich. Ich habe sie im Sommer zu einer Sponsorenveranstaltung des Balletts eingeladen. Er war auch dort. Und sie hatten viel Spaß miteinander.« Zoe schüttelte den Kopf. »Der Typ war mir immer unheimlich, und das habe ich ihr ein paar Mal gesagt, aber es schien sie nicht zu kümmern.«
    »Hat er Sierra jemals Grund zur Beunruhigung gegeben?«, fragte Malcolm.
    »Nein. Sie meinte sogar, er sei die Sanftmut in Person. Sie fühle sich absolut wohl in seiner Gegenwart.«
    Lulu Sweet hatte ausgesagt, Dixon sei freundlich und höflich gewesen, und erst, als sie mit ihm allein im Motelzimmer war, sei seine Stimmung ins Gewalttätige umgeschlagen.
    Auf dem Bett lag zwischen zerknüllten Laken ein Skript:
Der Widerspenstigen Zähmung
. Der Buchrücken war mehrfach gebrochen, die Seiten hatten Eselsohren, einzelne Zeilen waren mit Leuchtstift markiert und mit Notizen versehen. »Sieht so aus, als hätte sie fleißig gelernt.«
    »Sierra ging immer vollkommen in dem Stück auf, in dem sie gerade mitspielte. Sie verpasste nie einen Einsatz und beherrschte bei jeder Probe ihren Text. Das ist einer der Gründe, warum sie so viele Rollen bekam. Gutes Aussehen hilft, aber es ist nur ein Türöffner. Wenn man in dieser Branche keine Leistung bringt, spricht sich das schnell herum, und dann bekommt man keine Arbeit mehr.«
    »Haben Sie ihr mit dem Text geholfen?« Das Skript duftete schwach nach Parfum.
    »Schon, ein paar Mal. Und es war irgendwie toll, zu sehen, wie sie sich von einer Frau, die ich nicht besonders mochte, in eine faszinierende Figur verwandelte. Sie war eine talentierte Schauspielerin.«
    Garrison trat an das einzige Fenster im Zimmer und blickte nach draußen. »Wohin führt diese

Weitere Kostenlose Bücher