So still die Toten
Theke herum, umarmte Garrison innig und küsste ihn. »Du hast es doch noch geschafft«, meinte sie. Er war fast dreißig Zentimeter größer als sie, und in seiner Umarmung wirkte sie winzig.
Garrison strich ihr mit dem Daumen eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich kann nicht lange bleiben. Nur auf eine Kleinigkeit zu essen.«
Eva drückte Garrisons Arm. »Dann setz dich, und ich nehme deine Bestellung auf.«
Angie ging das Herz auf, als sie die beiden zusammen sah. Irgendwie ließ es sie hoffen, dass Menschen Liebe finden konnten, eine Tatsache, an der sie nach ihrer Beziehung mit dem Fiesling alias Connor Donovan ernstlich gezweifelt hatte.
Ein Mann nahm neben ihr Platz, und die breiten Schultern und der vertraute Duft verrieten ihn sofort. Ihr Innerstes zog sich zusammen.
»Detective Kier.«
Er nahm sich ein Pommes-Frites-Stäbchen von ihrem Teller. »Hallo, Frau Anwältin. Ich dachte, Leute wie Sie nehmen kein richtiges Essen zu sich.«
»Leute wie ich?«
»Vampire. Ich dachte, ihr trinkt nur Blut.«
Bedächtig breitete sie die Serviette auf ihrem Schoß aus und nahm die Gabel in die Hand. »Manchmal ist es eben leichter, ein Sandwich zu bestellen, als sich wegen ein bisschen Blut zu balgen.«
»Soviel ich weiß, heißen Vampire politisch korrekt ›Kinder der Nacht‹. Stimmt das?«
»Seit wann machen Sie sich Gedanken um politische Korrektheit?«
»Noch nie.« Er beobachtete, wie Eva und Garrison sich entfernten. »Ich habe nur wegen Eva versucht, nett zu sein.«
»Wegen mir müssen Sie Ihr Verhalten nicht ändern, Detective. Ich möchte Sie ungern überfordern.«
Jetzt gönnte sie ihm einen Blick. Dunkle Stoppeln bedeckten sein Kinn und verliehen ihm ein bärbeißiges Aussehen, das nicht ganz unattraktiv war. Er hatte immer noch dieselben Sachen an wie am Vormittag bei seinem Besuch im Fitnessstudio, woraus sie schloss, dass er und Garrison ununterbrochen unterwegs gewesen waren. Bei Mordfällen war das normal – sie wurden am wahrscheinlichsten in den ersten achtundvierzig Stunden aufgeklärt, wenn die Spuren noch frisch waren.
Angie schob das Essen auf ihrem Teller herum, aß aber nichts.
Eva stellte Burger vor Malcolm und Garrison ab, der sich wieder zu ihnen gesellt hatte. Die Männer begannen sofort zu essen. Wahrscheinlich hatten sie dafür heute kaum Zeit gehabt, und diese Mahlzeit würde eine Weile vorhalten müssen.
Angies Lachspastete kam, und mehrere Minuten lang aßen alle drei schweigend, während Eva die anderen Gäste an der Bar bediente, Rechnungen für ihre Kolleginnen fertig machte und Gläser nachfüllte. Als Garrison aufgegessen hatte, entschuldigte er sich und ging zu ihr hinüber.
Angies Gedanken schweiften zu Sierra Day und den vielen erfolglosen Anrufen, die sie wegen der Frau getätigt hatte. »Haben Sie eigentlich Ihr Mordopfer identifiziert? Ist es Sierra Day?«
»Komisch, dass Sie danach fragen.« Kier legte bedächtig den Rest seines Burgers auf den Teller zurück. »Die zahnärztlichen Unterlagen bestätigen, dass sie unsere Unbekannte ist.«
Angie griff nach dem Kaffee, den Eva ihr gerade hingestellt hatte. Es ging ihr weniger um das Getränk als vielmehr darum, etwas mit ihren Händen zu tun. »Es tut mir leid, das zu hören.«
»Nun, da sind Sie die Erste«, meinte Kier. »Die Frau hatte nicht gerade einen riesigen Fanklub.«
Angie war elend zumute. »Sie konnte anstrengend sein.«
»Das ist nicht das Wort, das ich immer wieder gehört habe«, sagte Kier.
»Sie war ehrgeizig. Wollte hoch hinaus. Mir hat man beides auch schon vorgeworfen und mich mit den entsprechenden Schimpfwörtern belegt.«
Kiers Augen blitzten herausfordernd. »Hat man Sie schon mal verlogen oder manipulativ genannt?«
Angies Direktheit war Segen und Fluch zugleich. »Ja. Und ich erinnere mich noch an ein paar andere exquisite Zuschreibungen von Ihnen: die Höllengräfin, die böse Hexe des Ostens, und wie war noch gleich die letzte? Ach ja, Satansbraut.«
In Kiers Gesicht lag nicht das geringste Bedauern.
Angies Loyalität gegenüber ihren Mandanten hörte mit dem Tod nicht auf. »Sierra hatte ihre Fehler, aber sie hat es nicht verdient, dass man sie ermordet und ihr das Fleisch von den Knochen löst.«
»Dann sind wir uns ja einig, Frau Anwältin.«
Kier und Garrison leisteten gute Arbeit. Sie würden ihre persönlichen Vorbehalte zurückstellen und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Sierras Mörder zu finden.
»Haben Sie schon irgendwelche Verdächtigen?«
»Das
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