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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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klar. Hey, und heute Abend spät bin ich auf dieser Party. Falls du auch kommen willst – je mehr Leute, desto besser.«
    Lulu wusste, was das Mädchen meinte. Sie würde heute Nacht noch anschaffen gehen. Lulu hatte seit sechs Monaten keinen Freier mehr gehabt, und so schlimm Anschaffen auch war, genau wie die Drogen fühlte es sich vertraut an und gehörte zu einer Welt, die sie verstand. »Vielleicht.«
    Maureen oder Marcia nickte. »Das wird lustig.«
    »Bestimmt.« Lulu band sich die Schürze ab und drängte sich durch die überfüllte Bar in die Küche und weiter durch die Metalltür, die auf die Gasse führte. Die Tür fiel hinter ihr zu, und die kalte Nachtluft schlug ihr entgegen. Selbst hier draußen war der stampfende Rhythmus noch zu spüren.
    Lulu schlang die Arme um ihren Körper. Die Glühbirne, unter der sie stand, spendete genug Licht für die Treppe, aber nicht so viel, um die Gasse zu erhellen. Um sie herum war es dunkel, doch sie wusste, dass Tony da draußen war. Sie spürte seinen Blick. Beinahe fühlte sie, wie er aus der Dunkelheit nach ihr griff, sie bei der Hand nahm und sanft zu sich heranzog.
    Sie kannte Tony nur zu gut. Er würde wollen, dass sie mit zu ihm kam. Besonders nach ihrer pathetischen Ansprache vom letzten Mal, als er sie mit Drogen und Sex hatte verführen wollen. »Ich höre für immer mit diesem Mist auf.« Damals hatte sie so viel Willenskraft gehabt.
    Lulu atmete tief aus. »Tony.«
    Auf der Straße, zu der die Gasse führte, fuhren Autos vorbei. Jemand hupte. Irgendwo stritt sich ein Pärchen. Aber kein Tony.
    Erbitterung stieg in ihr auf. Er würde sie zappeln lassen. Bestimmt war er wegen letztem Mal angepisst und wollte, dass sie bettelte.
    Im Laufe der Jahre hatte sie oft gebettelt. Es gehörte zu ihrem Leben und war ein Mittel, das zu bekommen, was sie haben wollte: von ihrer Mutter, von Drogendealern, sogar von Freiern. Das einzige Mal, dass Betteln gar nicht funktioniert hatte, war in der Nacht mit Dr. Dixon gewesen. Sie wusste noch, wie sie ihm dabei zugesehen hatte, als er sie ans Bett fesselte. Doch als er das Skalpell geholt hatte, hatte sie vor Angst gezittert. Sie hatte ihn verzweifelt angefleht, sie nicht zu schneiden. Die Gewalt beim Sex hatte sie nicht gemocht, doch sie hatte sie überlebt. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass sie verletzt wurde oder sterben musste.
    »Bitte nicht«, flüsterte sie. In ihren Augen standen Tränen.
    Sein breites Grinsen spiegelte das Vergnügen, das er empfand. Er mochte es, wie ihre Brüste bebten, wenn sie sich wand. »Ich kann dich perfekt machen.«
    Und dann fuhr er mit dem Skalpell über ihre Brust und schnitt ihr die Haut auf.
    »Hören Sie auf damit!«
    Über ihre blasse Haut lief Blut. »Ich würde gern weitermachen, aber das tue ich nicht. Der
Andere
tötet.«
    Vor Schmerzen konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. »Wer zum Teufel ist das? Sind Sie es?«
    Er antwortete nicht, doch die verschwundenen Mädchen waren in aller Munde.
    Sie wusste nicht, wer die Mädchen waren, aber sie hatte das Geraune gehört. Als die Erste verschwunden war, hatte keiner richtig Alarm geschlagen. Mädchen verschwanden eben von der Straße. Das passierte. Aber als die Zweite nicht mehr auftauchte, hatten manche Mädchen etwas von einem Mörder erzählt, der auf der Jagd sei. Als die Dritte vermisst wurde, hatte sich die Furcht wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Die Mädchen hatten kürzertreten und nur noch die Stammkunden bedienen wollen, aber die Zuhälter hatten sie gezwungen, wie gewohnt zu arbeiten.
    Lulu stieß einen langen, lauten Schrei aus, und Dixon erschrak. In plötzlicher Sorge, dass ihre Schreie selbst in diesem heruntergekommenen Motel unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten, sah er sich um. Er stand vom Bett auf, ging zu seiner Aktentasche, in der er seine kleinen Spielzeuge aufbewahrte, und holte einen Knebel heraus.
    In seinem Blick lag etwas Dunkles, Gefährliches. Wenn es nötig wäre, um zu überleben, würde er sie umbringen.
    Sie hatte keine Erinnerung daran, wie sie sich von ihren Fesseln befreit hatte, doch es war ihr gelungen.
    Als er sich zu ihr umdrehte, hatte sie die Lampe in der Hand und schlug mit aller Kraft zu. Er taumelte zurück und fiel zu Boden. Sie raffte ihre Kleider zusammen und lief nackt aus dem Zimmer und auf die Straße. Sie rannte einen halben Block weit, bevor sie stehen blieb, um T-Shirt und Shorts anzuziehen.
    In dem Stadtviertel hatte in jener Nacht eine große,

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