So still die Toten
eingeschaltet?«
Um Evas Mund zuckte ein Lächeln. »Nach deinem Gesichtsausdruck zu urteilen, würde ich mal sagen, Nein. Und ich vermute, wenn ich das Ding jetzt einschalte, finde ich drei bis vier verpasste Anrufe vor.«
»Drei.«
In Evas Augen lag leise Belustigung. »Du machst Fortschritte. Kein ausgewachsener Panikanfall mehr, wenn ich nicht drangehe.«
»Du bist letztes Jahr fast gestorben.«
»Das war letztes Jahr.«
Angie schüttelte den Kopf. »Es ist mir ein Rätsel, wie du die Vergangenheit so einfach hinter dir lassen kannst.«
»Welchen Sinn hat es, daran festzuhalten?« Eva tippte Angies Bestellung in die Kasse ein. »Das Übliche, nehme ich an.«
»Ja.«
Eva zog die Schultern hoch. »Und, wie hat sich Lulu gemacht? Sie war ja ganz begeistert von deiner Hilfe.«
Eine oder zwei Sekunden lang lag drückendes Schweigen zwischen ihnen. »Lulu ist nicht bei Gericht erschienen.«
Eva beugte sich vor. »Du machst wohl Witze.«
»Nein. Ich habe bis zum letzten Moment vor dem Gerichtssaal gewartet, dann bin ich reingelaufen, um mich vom Richter herunterputzen zu lassen.«
»Scheiße.«
»Das kannst du laut sagen.«
Eva schüttelte den Kopf. »Das sieht Lulu überhaupt nicht ähnlich. Sie wollte alles tun, um David zurückzubekommen.«
»Sie ist aber außerdem drogenabhängig und erst seit sechs Monaten clean. Du kennst doch die Statistiken bei Süchtigen. Rückfälle passieren so häufig.«
»Nicht bei Lulu. Ich habe zu oft gesehen, wie sie der Versuchung widerstanden hat. Sie wollte es um keinen Preis vermasseln.«
Es war Angie zuwider, Eva so aufgelöst zu sehen. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, Eva. Sie hat es komplett vermasselt. Der Richter hat das Sorgerecht ihrer Mutter zugesprochen. Und die Chancen, es jetzt noch zurückzubekommen, gehen erst mal gegen Null.«
Eva presste die Lippen zusammen. »Das glaube ich einfach nicht. Irgendwas ist da faul.«
»Eva, da ist gar nichts faul, abgesehen davon, dass Lulu die Finger nicht von den Drogen lassen kann.«
Eva beugte sich vor. Die Verärgerung nahm ihrem Gesicht etwas von seiner Blässe. »Ich war früher auch auf der anderen Seite. Ich weiß ganz genau, wie es ist, wenn die ganze beschissene Welt gegen einen ist und man keine richtigen Freunde hat.«
Während Evas Prozess hatte Angie sich gegen ihren Vater aufgelehnt und war vom College nach Virginia geflogen, um Eva zu besuchen. Doch sie war nicht auf Evas Zorn vorbereitet gewesen, und auch nicht darauf, dass sie verlangen würde, Angie solle sie in Ruhe lassen.
»Verschwinde aus meinem Leben!«, hatte Eva im Besucherraum gebrüllt.
Bis heute machte Angie es sich zum Vorwurf, wegen ihrer eigenen Verletztheit nicht erkannt zu haben, dass Josiahs Vater Darius Eva unter Druck gesetzt hatte, damit sie keinerlei Hilfe annahm.
»Du bist nicht Lulu«, sagte Angie. »Das ist nicht dein Mordprozess.«
»Aber für sie ist es doch dasselbe. Ihre ganze Zukunft steht auf dem Spiel.« Eva schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht viel älter als ich damals war. Sie ist allein.« In den letzten Worten lagen so viel Trauer und Mitgefühl, dass es Angie für einen Moment den Atem verschlug.
»Sie war nicht allein. Sie hatte dich, und sie hatte mich. Sie hatte Menschen, die auf ihrer Seite waren. Sie war die, die sich nicht an die Regeln gehalten hat.«
Eva umklammerte den Thekenrand. »Wer weiß schon, wer oder was Lulu davon abgehalten hat, heute ins Gericht zu kommen.«
»Lulu hat Lulu davon abgehalten.«
»Das glaube ich einfach nicht.« Eva sah auf die Uhr und hielt nach einer Kollegin Ausschau. »Aber ich werde schon herausfinden, was passiert ist.«
»Was hast du vor?«
»Ich weiß, wo sie wohnt, und ich weiß, wo sie arbeitet. Ich fahre hin.«
»Du musst doch arbeiten.«
»Heute Abend ist nicht viel los. King wird nichts dagegen haben.«
Angie beugte sich vor. »Aber ich habe etwas dagegen, dass du in irgendeiner gottverlassenen Gasse herumschnüffelst und jemanden suchst, der nicht gefunden werden will. Oder schlimmer noch, mit Drogen vollgepumpt ist und dich womöglich angreift.«
»Du klingst wie eine alte Frau. Hör auf, dir so viele Gedanken zu machen.«
Das mit der alten Frau saß. »Ich bin nicht alt. Nur vorsichtig.«
»Extrem vorsichtig, wenn du mich fragst.«
»Was soll das heißen?«
»Komm schon, dieser Mist, den Donovan mit dir abgezogen hat. Du schottest dich ab wie eine Nonne.«
»Das stimmt nicht. Ich riskiere auch manchmal etwas.«
»Wann
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