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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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einige Male einen Gefallen getan, und er hatte sich mit Ermittlungsarbeiten revanchiert.
    Angie hatte Bill damit beauftragt, Blue Rayburns Vergangenheit zu recherchieren. Eva hatte Angie zwar nie gebeten, nach ihm zu forschen, doch Angie war zu dem Schluss gekommen, dass sie mehr über den Mann erfahren wollte, der der Freund ihres Vaters und der Verführer ihrer Mutter gewesen war.
    Sie riss den braunen Umschlag auf und zog den Bericht heraus. Bill war tüchtig, und falls es über Blue etwas auszugraben gab, dann hatte er es mit Sicherheit gefunden.
    Sehr geehrte Ms Carlson,
    auftragsgemäß habe ich Nachforschungen über Elijah »Blue« Rayburn, siebenundfünfzig Jahre alt, angestellt. Mr Rayburn wurde in North Carolina als Sohn mittelloser Eltern geboren und trat mit siebzehn Jahren in die Navy ein. Drei Jahre später wurde er unehrenhaft entlassen. In seinen Zwanzigern war er viel auf Reisen, bis er sich in Alexandria, Virginia, niederließ. Er nahm eine Stelle beim Sicherheitsdienst des Talbot-Naturkundemuseums an.
    Angie ließ sich gegen die Rückenlehne ihres Schreibtischstuhls sinken und starrte auf die getippten Seiten. Sie wusste, dass Blue im Museum gearbeitet hatte, hatte bisher aber keine Ahnung gehabt, was er vorher gemacht hatte.
    Einige Wochen nach seiner Einstellung wurde Mr Rayburn zum Leiter des Sicherheitsdienstes befördert und blieb ein Jahr lang auf diesem Posten. Vor achtundzwanzig Jahren heiratete er Marian Carlson. Die beiden bekamen eine Tochter namens Eva. Nach seinem Ausscheiden aus den Diensten des Museums finden sich für Mr Rayburn keine Beschäftigungsnachweise mehr. Drei Jahre nach der Hochzeit verließ Mr Rayburn Frau und Kind und zog nach Westen. Er gründete eine Expeditionsfirma und heiratete erneut, allerdings bezweifle ich, dass die Ehe rechtmäßig war. Er wurde Vater eines Sohnes. Mr Rayburn wurde mehrere Male wegen tätlicher Angriffe verhaftet, doch die Anklage wurde jedes Mal wieder fallen gelassen, weil die Zeugen die Aussage verweigerten. Vor einigen Jahren brannte Mr Rayburns Haus vollständig nieder, und kurz darauf verließ er seine zweite »Ehefrau«, zwanzig Jahre nach der Hochzeit, und verschwand. Hier verliert sich die Spur. Ich war nicht in der Lage, Mr Rayburns aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln.
    Beigefügt sende ich Ihnen mehrere Fotos von Mr Rayburn.
    Angie legte den Brief beiseite und öffnete den kleineren Umschlag, auf dem FOTOS stand. Darin befand sich ein Schwarz-Weiß-Foto von Blue, auf dem er etwa zwanzig Jahre alt sein musste und, der Uniform nach zu urteilen, noch in der Navy. Er hatte das gleiche dunkle Haar und die gleichen hohen Wangenknochen wie Eva. Er war ein auf verwegene Weise gut aussehender Mann, der allem Anschein nach über ein hohes Maß an Energie verfügte.
    Er war das genaue Gegenteil von Angies Vater, einem großen, dünnen Mann, der die Sonne mied und Bücher liebte. Frank Carlson war willensstark und beständig gewesen, aber nicht besonders aufregend.
    Das nächste Foto war ein Gruppenbild, das anscheinend vor einem der Ausstellungsstücke im Talbot-Museum aufgenommen worden war. Es zeigte eine Gruppe von zehn Leuten, darunter auch Angies Vater. Alles Männer, und alle Anfang dreißig. Sie wirkten ausgesprochen fröhlich, als wäre das Foto während einer Feier geschossen worden.
    Angie betrachtete das Gesicht ihres Vaters, auf dem ein Lächeln lag, wie sie es nie an ihm gesehen hatte. Er war fast immer ernst gewesen, und wenn er mal lächelte, hatte darin nicht diese strahlende Fröhlichkeit gelegen wie auf dem Bild.
    Neben ihrem Vater stand Blue, den Arm um Franks Schultern gelegt, als wären sie alte Freunde.
    Angie studierte die Datumsangabe und sah, dass das Foto vor achtundzwanzig Jahren aufgenommen worden war – kurz bevor Blue seine Affäre mit ihrer Mutter begonnen hatte.
    Das Lächeln der Männer wirkte so echt und so fröhlich, dass der Verrat undenkbar schien, der kurz darauf begangen worden war. Am Ende jenes Jahres hatte ihre Mutter ihren Vater verlassen, und Angies Welt war zerbrochen. Liebende Eltern hatten sich in einen emotional abwesenden Vater und in eine Mutter verwandelt, die sie nur ein Mal im Monat sah.
    Sie drehte das Bild um und las die Beschriftung auf der Rückseite.
    Feier anlässlich der Schenkung des neuen Flügels, gewidmet der Darius-Cross-Stiftung.
    Darius Cross!
    Blut stieg Angie ins Gesicht, und ihr Herz raste. Noch einmal las sie, was da stand.
    Nie hätte sie sich träumen lassen, dass die

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