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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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kräftige Lungen.«
    Auf den Lippen der Frau zeigte sich der Anflug eines Lächelns. »Allerdings. Kommen Sie rein und nehmen Sie im Wohnzimmer Platz, während ich ihn hole.«
    Sie öffnete die Fliegengittertür, und Malcolm trat ein. Es roch nach Babypuder und Hustensalbe. Die äußeren Umstände hatten zwei Generationen unter einem Dach vereint, die nicht wirklich zusammenpassten.
    Mrs Sweet kam zurück, ein Baby auf der Hüfte. Das Kind war haarlos, hatte große hellblaue Augen und nuckelte an seiner molligen Faust. Neben dem gutgenährten Kind wirkte die Großmutter noch älter und gebrechlicher.
    »Wie heißt er denn?«, fragte Kier.
    »David.«
    Das Baby fing an zu zappeln und streckte Malcolm seine Hände entgegen. Instinktiv näherte sich Malcolm dem Jungen, der ihn an seinen Neffen Jack und seine Nichte Elizabeth erinnerte. Wenn er in Richmond war, nahm er die beiden immer auf den Arm, warf sie in die Luft oder wechselte ihnen die Windeln.
    Mrs Sweet zögerte. »Er wird auf Ihre Jacke sabbern, und manchmal spuckt er.«
    Malcolm grinste. »Das Risiko gehe ich ein.«
    »Wie Sie wollen.«
    Malcolm streckte die Arme aus, und der Kleine beugte sich vor und plumpste Malcolm beinahe in die wartenden Hände. Der Junge blickte zu ihm hoch, die großen Augen voller Forscherdrang und Neugierde. »Er sieht so aus, als würde er bald laufen.«
    Vivian Sweet nickte. »Da haben Sie recht. Macht es Ihnen etwas aus, ihn zu halten, während ich seine Flasche hole? Sie müsste jetzt warm sein.«
    »Überhaupt nicht.« Der Junge roch nach Puder, aber dem Gewicht seiner Windel nach zu urteilen, hatte er sie bereits vollgemacht. Vivian verschwand in der Küche, und Malcolm musterte den Kleinen. »Du hast ’ne volle Ladung da drin, was, Kumpel?«
    Der Junge gluckste und lachte.
    »Dachte ich mir.«
    Mrs Sweet kam zurück. »Ich könnte ihn jetzt füttern.«
    Über die Handrücken der Frau zogen sich dicke blaue Adern, und Malcolm bemerkte, dass ihre Finger ganz leicht zitterten. »Lassen Sie mich das tun. Ich habe einige Erfahrung damit.«
    Sie nahmen im Wohnzimmer auf dem kleinen Sofa und dem Sessel Platz. Vivian stieß einen Seufzer aus. »Sie haben Kinder?«
    »Nein, noch nicht. Aber mein Bruder hat zwei, und ich besuche sie oft.«
    Malcolm hielt den Jungen im Arm, der direkt nach der Flasche griff, sich in seine Armbeuge schmiegte und nuckelte. »Er ist anscheinend ein guter Esser.«
    »Ja, er wird mal ein richtiger Rabauke.«
    »Er macht einen gesunden Eindruck.«
    Mrs Sweet strich sich eine graue Strähne aus dem Gesicht. »Gott sei Dank, ja. Während der Schwangerschaft war Lulu clean.«
    »Zum Glück für das Kind.«
    »Ja.« Sie fuhr mit den Händen über ihre dünnen Oberschenkel. »Obwohl sie sich so sehr bemüht, davon loszukommen, zieht der Stoff sie immer wieder runter. Jedes Mal schwört sie, nie wieder Drogen zu nehmen, und dann tut sie es doch wieder.« Mrs Sweet zupfte einen Fussel von ihrem Hauskleid. »Schickt das Gericht Sie her?«
    »Ich bin hier, weil Ms Carlson sich Sorgen um Ihre Tochter macht. Ich habe ihr versprochen, mich umzuhören.«
    Eine Aura von Krankheit umgab die Frau, und Malcolm vermutete, dass sie nicht nur unter einer Grippe oder einer Erkältung litt, sondern schwer krank war. »Ich habe gestern bei Gericht mit Ms Carlson gesprochen. Sie wirkte ziemlich aufgelöst, als sie in den Gerichtssaal gestürmt kam. Sie hatte auf Lulu gewartet. Sie war sich so sicher gewesen, dass meine Tochter kommen würde.« Mrs Sweet schüttelte den Kopf. »Seltsam, dass Ms Carlson uns hilft. Sie hat mein Mädchen im Zeugenstand beinahe in der Luft zerrissen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich war so wütend auf Ms Carlson. Nach dem Prozess habe ich ihr ein paar Briefe geschickt und ihr geschrieben, dass ich sie für eine Blutsaugerin halte. Dixon hatte keinen fairen Prozess verdient. Er hatte verdient, gehängt zu werden. Lulu macht zwar Fehler, aber er hat ihr schreckliche Dinge angetan.«
    Malcolm hatte Ähnliches über Dixon gedacht, und doch hörte er sich sagen: »Jeder hat das Recht auf einen fairen Prozess.«
    »Mir ist das egal. Dixon hat Böses getan. Er hat den Tod verdient.«
    »Hat Ihre Tochter sich nach dem Prozess mal mit ihm getroffen?« Keine Frau, die bei Verstand war, würde einen Mann aufsuchen, der sie vergewaltigt hatte, aber seit seinem Eintritt in den Polizeidienst hatte Malcolm schon die seltsamsten Dinge erlebt.
    »Sie sagt, nein, und ich glaube ihr. Aber sie hat auch schon mal gelogen. Sind Sie

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