So unerreichbar nah
brachte.
»Wollen doch
sowieso alle nur das Eine, diese Schweine. Bei denen ist, wenn sie überhaupt einen
besitzen, der Verstand zwischen die Beine gerutscht«, wütete sie gerade eben.
Ich sinnierte hinter meinem Pokerface, welches ich bei Patientengesprächen
immer aufsetzte, dass dies zwar eine sehr verallgemeinernde Aussage darstellte,
aber bei manchen Vertretern des männlichen Geschlechts durchaus ins Schwarze
traf…Laut fragte ich sie, wie sie denn zu diesem Schluss gelangt sei.
Margarete
hätte, so teilte sie mir bei der ersten Sitzung unverblümt mit, mit ihren
negativen Gefühlen durchaus ohne Behandlung leben können. Da sie jedoch als
Sekretärin in einem weitgehend von Männern besetzten Redaktionsbüro eines
Rennsportmagazins arbeitete, hatte ihr Chef die Therapie zur Bedingung gemacht,
um das Betriebsklima in seinen Räumen zu verbessern.
Über
Margarete hing trotz ihrer ausgezeichneten beruflichen Fähigkeiten das Damoklesschwert
der Kündigung, sollte sie ihre Einstellung und ihr rüdes Verhalten gegenüber
den Kollegen nicht massiv ändern. Ich hatte die besten Vorsätze, alle
therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihren Job zu retten. Ich
achtete nur strikt darauf, Margarete und Jürgen (den Sexsüchtigen) unter keinen
Umständen am gleichen Tag einzubestellen, um unvorhergesehene Zufallstreffen zu
vermeiden. Sollte ich bei ihr tatsächlich eine mildere Betrachtungsweise
hinsichtlich des männlichen Charakters erreichen, so wäre diese vermutlich nach
einer Minute in Jürgens Gegenwart wieder ins genaue Gegenteil umgeschlagen.
Die übrigen
Termine waren - ganz nach meinem Geschmack - heute interessant und abwechslungsreich.
Ich behandelte ein junges Mädchen mit Essstörungen, einen älteren Mann, der
seit dem Tod seiner Frau an Depressionen litt sowie eine alleinstehende Topmanagerin,
die jetzt mit Mitte Vierzig erkannt hatte, dass sie eigentlich eine Familie
wollte und unter ungeheuren Schuldgefühlen litt, weil sie mit Dreißig ihrer Karriere
wegen eine Abtreibung hatte vornehmen lassen.
Erst nach der
letzten Nachmittagssitzung fiel mir der Termin bei Max wieder ein. Es war
bereits zehn nach vier.
Ich eilte hinüber
zu seinem Besprechungszimmer, öffnete, noch während ich klopfte, die Tür und
erstarrte. Vor ihm saß eine Patientin mit langen hellblonden Haaren und sah
mich interessiert an.
»Oh
Entschuldigung, ich wusste nicht, dass du noch behandelst«,
stammelte ich
verlegen und wollte die Tür von außen schließen. Beim Umdrehen prallte ich
gegen die breite Brust von Johannes, der hinter mir aufgetaucht war und
informierte ihn:
»Max
behandelt noch. Da sitzt eine Frau drin.«
Johannes
ignorierte meine Warnung, ergriff mich am Arm und zog mich mit sich in den Raum
hinein. Die Fremde war mittlerweile aufgestanden. Warum lächelten mich alle so
seltsam an?
Meine beiden
Kollegen wirkten verlegen, während Blondie mir ihre Hand entgegenstreckte. Das
Ganze hatte etwas von einem konspirativen Treffen an sich, bei welchem ich die
einzig Uneingeweihte zu sein schien. Ich fühlte mich in meiner verwaschenen
Jeans, dem blauen V-Pullover, den ich von Paul nach einem zu heißen Waschgang
geerbt hatte und meinen am Hinterkopf zu einem unordentlichen Knoten
zusammengesteckten Locken mit einem Mal unbehaglich.
Mein
weibliches Gegenüber wirkte wie aus dem Ei gepellt. In einem figurbetonten
dunkelblauen Kostüm mit Minirock, Seidenstrümpfen, die in dunkelblauem Pumps
steckten und das ebenmäßige Gesicht perfekt geschminkt, hatte sie starke
Ähnlichkeit mit Gwyneth Paltrow.
Während
Johannes und Max gleichzeitig anfingen, zu reden, schüttelte ich automatisch
Gwyneth´ Hand und kapierte, dass es sich bei ihr um eine Kollegin handelte.
Johannes hatte sich wie immer mit seinem lauten Stimmorgan durchgesetzt, Max war
verstummt und ich wurde informiert, dass Gwyneth´ richtiger Name Franziska Klausen
war, sie eine hervorragende Psychologin sei, die bereits in den USA gearbeitet
habe und dass Max sie bei einem psychologischen Symposium kennengelernt habe.
Gut, das war
schön für ihn, aber was ging es mich an, wenn er berufliche Bekanntschaften
machte? Da er glücklich verheiratet war, schloss ich eine Liebesgeschichte
seinerseits mit Gwyneth/Franziska aus.
Auch der
ebenfalls langjährig liierte Johannes schien von unserem Gast überwältigt zu
sein, ging man von den ehrfürchtigen Blicken aus, die er ihr zuwarf.
Und dann
ließen meine beiden Praxiskollegen die Bombe platzen:
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