So unerreichbar nah
andere Franziska meinen
heimlichen Schwarm vor der Nase weggeschnappt. Drei Monate musste ich -
innerlich total fertig - mitansehen, wie die beiden hemmungslos vor der Schule
herumknutschten, bevor sie sich einen Neuen suchte. War es ein Wunder, wenn ich
bei Trägerinnen dieses Namens ein klein wenig verärgert und voreingenommen
reagierte?
Jedenfalls
lenkte ich nach einer Dreiviertelstunde den Wagen über die richtige Abfahrt
innerlich mit mir im Reinen in Richtung Nymphenburg und hatte meine übliche
Gelassenheit zurückgewonnen. Entspannt sang ich Louis Armstrongs "Mack the
Knife" mit. Diese gelegentlichen musikalischen Frustfahrten, von denen
auch Lisa oder Paul nie etwas erfuhren - vor allem Paul nicht, da sein
Verhalten oft Anlass für eine solche Fahrt bot - waren bei Stress jeglicher Art
meine absolute Geheimwaffe und wirkten besser als jede Beruhigungspille. Genau
deshalb weigerte ich mich beharrlich, den Porsche gegen ein kleineres,
umweltfreundlicheres und spritsparendes Gefährt einzutauschen.
In meiner
Wohnung blinkte das rote Lämpchen des Anrufbeantworters hektisch. Während ich
mich umzog, hörte ich Lisas aufgeregte Stimme:
»Verdammt,
Tessa, wo steckst du? Bei deinem Handy ist die Mailbox drin und das schon seit
Stunden. Melde dich, wenn du da bist, ich muss dir unbedingt etwas erzählen.«
Kurze Pause,
dann mit unterdrücktem Jubel in der Stimme:
»Ich hab ihn
gefunden! Meinen ab-so-lu-ten Traummann! Er ist der Wahnsinn! Bitte, bitte ruf
mich zurück, Tessa.«
Aufstöhnend
öffnete ich meinen Kühlschrank, holte mir einen Fruchtjoghurt, warf mich in
meinen Lieblingssessel und schaltete den Fernseher ein. Ich wollte heute keine
aufregenden Geschichten mehr hören. Wie oft hatte Lisa in den letzten zehn
Jahren schon den vermeintlichen Mr. Right, der sich am Ende jedes einzelne Mal
als Mr. Völlig-Wrong entpuppte, gefunden?
Mit
schlechtem Gewissen, weil ich keine Lust auf einen sofortigen Rückruf
verspürte, löffelte ich die kühle Masse mit künstlich erzeugtem Erdbeergeschmack
in den Mund. So aufgedreht hatte sie noch nie geklungen. Total überschwänglich,
geradezu im siebten Himmel. Apropos Himmel: Engelchen beugte sich über dem Rand
seiner Wolke und blickte mich strafend an. War das die feine Art, sich vor
seiner allerbesten Freundin zu verstecken? So zu tun, als ob man ihre Nachricht
nicht gehört hätte, nur weil man seinen faulen Hintern nicht aus dem Sessel
hochbekam und sich auf einen ruhigen Abend gefreut hatte?
Seufzend
raffte ich mich auf, holte mir das tragbare Telefon und rief an. Lisa säuselte
ihren Namen in die Muschel. Vermutlich dachte sie, Mr. Traumprinz sei dran. Gequält
hielt ich den Lautsprecher zehn Zentimeter vom Ohr weg und nuschelte lustlos:
»Hi, ich
bin´s.«
Sie
ignorierte meine empathielose Einleitung komplett und sprudelte ohne Punkt und
Komma los:
»TessastelldirvorheuteistmeinGlückstag!
Ich habe einen neuen Kunden, der zum ersten Mal in der Agentur war und ich
wusste vom ersten Blick an, das ist der Mann, den ich heiraten werde! Oh Tess,
er ist groß, gutgebaut und hat eine unglaublich männliche, überwältigende
Ausstrahlung. Er weiß genau, was er will.«
Vor meinem
inneren Auge erschien ein haariger Gorilla, der selbstbewusst auf seine Brust
trommelte und sich Lisa über die Schulter warf, um sie in seine Höhle zu verschleppen.
Großer Gott, in wen oder besser was hatte sich Lisa diesmal verrannt? Ohne
meine Wortkargheit zu bemerken, schwärmte sie weiter.
»Wir haben
uns von Anfang an prima verstanden, er findet meine Entwürfe gut und morgen
Abend sind wir zum Essen verabredet. Tessa, bitte drück mir die Daumen, dass er
mich anziehend findet.«
Huch, das
klang noch furchteinflößender. Lisa in der Rolle der Bittstellerin?
Normalerweise bestimmte sie von Anfang an, wie und in welchem Tempo sich ihre
Beziehungen entwickelten. Dass die Männer alle auf sie abfuhren, war bisher
immer sonnenklar gewesen. Noch nie hatte ich bei meiner erfolgsverwöhnten
Freundin jene typischen Selbstzweifel einer verliebten Frau, die sich der
Zuneigung ihres Angebeteten nicht sicher ist, festgestellt. Der Kerl begann
mich näher zu interessieren. Ich unterbrach ihren Redeschwall.
»Stopp Lisa,
jetzt mal langsam. Ist das ein geschäftliches Essen oder hat er dich privat
eingeladen? Und was macht dieser Traumtyp beruflich? Weißt du, ob er
verheiratet oder sonst gebunden ist?«
»Tessa, du
klingst wie meine Mutter, nicht wie meine beste Freundin. Ich kann
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