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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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dich
beruhigen. Er ist Juniorchef einer alteingesessenen Uhren- und
Schmuckgroßhandelsfirma und hat vor kurzem ein Restaurant mit Lounge im
Glockenbachviertel gekauft. Und das soll jetzt mithilfe unserer Werbung zum
absoluten In-Treff Münchens avancieren. Soweit ich weiß ist er solo. Ich hab ihn
gegoogelt. Er hat eine Wohnung in Bogenhausen und steht nur mit seinem Namen
allein im Adressbuch. Alles Übrige werde ich morgen abchecken.
    Wir werden
natürlich über seinen Auftrag sprechen, aber er hat mich ausdrücklich in sein
Restaurant eingeladen, damit wir uns besser kennenlernen. Das waren seine
Worte. Klingt doch eher nach einer privaten Einladung, nach einem Date, oder?«
    Ohne meine
Erwiderung abzuwarten, fuhr sie begeistert fort:
    »Ach Tessa, ich
freu mich so. Ich bin gerade dabei, meinen Schrank zu durchwühlen, um etwas
Passendes zum Anziehen für morgen zu finden. Komm doch hoch und hilf mir, dann
können wir ausgiebig quatschen. Oder erwartest du Paul heute noch?«
    »Nein, Paul
ist auf Geschäftsreise und wird erst in einer Woche wieder da sein. Aber Lisa,
ganz ehrlich: Ich hatte einen furchtbar anstrengenden Tag und bin völlig
erledigt vom ständigen Zuhören. Und zu allem Überfluss wollen mir meine
Kollegen auch noch einen Kuckuck ins Nest setzen. Ich bin heute keine gute
Gesprächspartnerin, glaub mir.«
    Lisa konnte
sehr hartnäckig sein. Mit Engelszungen überredete sie mich und fünf Minuten
später stand ich in ihrem femininen Schlafzimmer mit den weißen
Schleiflackmöbeln und inspizierte mit ihr zusammen die Untiefen ihres
begehbaren Kleiderschranks, dessen halber Inhalt bereits wild verstreut auf
ihrem französischen Bett herumlag, während Lisa in weißer Spitzenunterwäsche
hilflos davor stand.
    Als sie sich
eine halbe Stunde später - gegen meinen ausdrücklichen Rat - für ein scharfes
kleines Schwarzes und High-Heels entschieden hatte, lächelte sie mich
erleichtert an.
    »Vielen Dank
für die Unterstützung, Tessa. Sei nicht böse, dass ich deinen Rat, für das
erste Treffen etwas Züchtigeres anzuziehen, nicht befolgen werde. Aber ich will
bei Lucas von Beginn an alle Register ziehen. Er ist der absolute Wahnsinnstyp.
Ich erzähl dir übermorgen, wie der Abend war. Und jetzt trinken wir was
zusammen und du erzählst mir diese Kuckucksgeschichte.«
     
    Zwei Stunden
und eine Flasche Rotwein später taumelte ich müde die Treppen zu meiner Wohnung
hinunter. Ich hatte Lisa das verkorkste Ende dieses Nachmittages sowie das
unerwartete Auftauchen von Franziska ausgiebig geschildert, war mir aber keinesfalls
sicher, ob die von meiner Freundin vorgeschlagene Strategie die Richtige war.
    Laut Lisa war
die Sache ganz einfach.
    »Lass sie
doch bei euch einsteigen, im Fall einer Ablehnung hast du bei deinen Jungs
schlechte Karten und stehst immer als Spielverderberin da. Wehr dich auf andere
Weise: Du hörst auf, dich wie Aschenputtel anzuziehen und erscheinst endlich
ordentlich angezogen und aufgestylt in der Praxis. So, wie du sonst in deiner
Freizeit und in Gegenwart von Paul herumläufst.«
    Ich sah mich
unwillkürlich nur mit Pauls neuestem geschmackvollem Unterwäsche-Geschenk,
Strapsen und Stilettos bekleidet in meinem Büro vor Jürgen sitzen, während Lisa
zunehmend Fahrt aufnahm.
    »Du zeigst
dieser Franziska, wo der Hammer hängt und deinen testosterongesteuerten
Kollegen ebenfalls. Mensch Tessa, du siehst klasse aus, wenn du geschminkt
bist, dein Haar offen trägst und was Schickes anhast. Damit steckst du diesen
Paltrow-Verschnitt optisch locker in die Tasche und beruflich sowieso. Wenn ich
an all die Menschen denke, von denen du mir erzählt und seit Beginn deiner
Ausbildung schon geholfen hast, finde ich, dass du die geborene Therapeutin
bist. Und auch wenn du´s nicht gerne hörst: Die meisten Menschen halten ein
attraktives Gegenüber für kompetenter und intelligenter, das haben Studien
bewiesen. Folglich kannst du dir deine alberne Theorie vom grauen aber fähigen Psycho-Mäuschen
abschminken.«
     
    Gerührt von
Lisas unerwartetem Lob mein Aussehen und meine beruflichen Kompetenzen
betreffend schlief ich wenige Minuten später ein.

SELF DECEPTION
     
    Drei Tage
später überraschte ich Max und Johannes, indem ich sie beide am Nachmittag in
mein Büro bat.
    Nach
reiflicher Überlegung hatte ich beschlossen, Lisas Rat anzunehmen und trug
deshalb einen schwarzen enganliegenden Rolli, schwarze Strümpfe und Ballerinas
kombiniert mit einem leuchtendblauen Bleistiftrock. Der

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