So unerreichbar nah
hatte sich zwar beim
Ein - und Aussteigen in den Sportsitz des Porsche als unerwartet unpraktisch
erwiesen, aber ich war gewillt, ein Opfer zu bringen. Ein zweites bestand darin,
dass ich morgens im Bad eine geschlagene halbe Stunde länger brauchte, bis ich
mich passend geschminkt und mein Haar in Form gebracht hatte.
Aber, wie ich
zufrieden feststellte, konnte sich das Ergebnis sehen lassen. Von meinen
Patienten hatte ich durchweg positive Rückmeldung erhalten. Ich hatte auch
nicht den Eindruck, dass sie durch mein verändertes Aussehen dauerhaft von der
Therapie abgelenkt wurden. Lediglich am Anfang der jeweiligen Stunde sprachen
mich manche auf meinen ungewohnten Look an.
Meine beiden
Kollegen geizten seit meiner optischen Wandlung ebenfalls nicht mit Lob. Als
sie nun nacheinander hereinkamen, lächelte ich ihnen charmant zu, bat sie, sich
zu setzen und kam zur Sache:
»Johannes,
Max, ich habe mir die Sache mit Franziska durch den Kopf gehen lassen und gehe
davon aus, dass ihr ihre Referenzen genau geprüft habt.«
Beide nickten
eifrig mit den Köpfen und versicherten mir, Franziska sei hervorragend
geeignet, unser Team zu verstärken. Ich holte tief Luft. Es fiel mir äußerst
schwer, ihnen darin Recht zu geben. Aber ich wollte ja kein Spielverderber
sein.
»Es sieht
ganz so aus, als ob wir mit ihr eine fähige Kollegin in unsere Bürogemeinschaft
aufnehmen könnten. Und da du Max, sie schon länger kennst, und auch Johannes
einen guten Eindruck von ihr gewonnen hat, vertraue ich einfach eurem Urteil.
Also von mir aus kann sie das vierte Zimmer haben.«
Erleichtert
und begeistert davon, dass ich meinen Widerstand gegen ihren Plan aufgegeben
hatte und die fesche Franziska bald Tür an Tür mit ihnen arbeiten würde, lobten
sie mich für meine Entscheidung.
Johannes
sprang auf.
»Ich sehe mal
im Kühlschrank nach, da müsste noch eine Flasche Sekt stehen, die ich von einem
Patienten zu Weihnachten geschenkt bekommen habe. Die hole ich und dann stoßen
wir an.«
Als wir uns
zuprosteten, verdrängte ich den kleinen hartnäckigen Zweifel, ob meine
Entscheidung wirklich richtig gewesen war. Aber Franziskas Zeugnisse und
Empfehlungsschreiben waren erstklassig und ich musste meine persönliche
Aversion gegen Superwoman überwinden, wollte ich bei Johannes und Max zukünftig
nicht als irrationale neidische Zicke dastehen.
Lisa hatte
mich gestern wie angekündigt angerufen. Das Abendessen mit Lucas alias Mr.
Perfect war ihren Worten nach ein voller Erfolg gewesen.
»Er ist der
totale Gentleman«, schwärmte sie.
»Hat mir aus
dem Mantel geholfen, meinen Stuhl zurecht gerückt und alles getan, damit ich
mich wohlfühle. Wir haben über unseren Auftrag geredet und dann hat er sich
eingehend nach mir erkundigt, nach meinen Hobbies, was ich lese und welche
Filme ich ansehe.«
Lisa hatte
ihm garantiert nichts von den Tom und Jerry-, Asterix- oder Sponge Bob
Schwammkopf-DVDs erzählt, die sie bei ihren Liebeskummeranfällen mit
Begeisterung konsumierte.
Interessiert
erkundigte ich mich:
»Und was hast
du ihm dann für ein vorteilhaftes Image von dir vermittelt? Von unseren
Schoko-Chips-Orgien, deiner Vorliebe für Chick-Lit und Schnulzenfilmen hat er
kein Sterbenswörtchen erfahren, davon gehe ich mal aus.«
Lisa
kicherte.
»Jeder Mensch
braucht seine kleinen Geheimnisse. Nein, ich habe ihm von zwei Büchern
vorgeschwärmt, "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" sowie
Patrick Süskinds "Parfum". Dass diese im Deutschleistungskurs in der
Oberstufe Pflichtlektüre waren, habe ich vornehm unterschlagen. Er kennt beide
- stell dir vor, ein Mann, der nicht nur den Playboy oder Autozeitschriften liest!
- und wir haben uns für kommendes Wochenende zu einem Museumsbesuch verabredet.
Es gibt da eine Sonderausstellung von Monet- und Renoir-Werken, die uns
interessiert.«
Glücklicherweise
konnte Lisa mein breites Grinsen über das "uns" durch den Telefonhörer
nicht sehen.
Ich fand es
amüsant, mitanzusehen, wie Lisa und auch Paul in Sekundenschnelle zu Kunstbegeisterten
mutierten, um bei anderen gut dazustehen. Aber wer im Glashaus sitzt, sollte
nicht mit Steinen werfen. Hatte ich nicht ebenfalls Franziskas wegen
beschlossen, meine äußerliche Erscheinung in der Praxis zu optimieren? Auch wenn
meine Beweggründe von der niedrigen Sorte waren. Ich wollte ihr nicht gefallen,
sondern meine Terrain abstecken.
Lisa schwebte
im siebten Himmel, obwohl zwischen ihr und ihrem neuen Schwarm nach eigenen
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