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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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wirklich
klug von dir, dich neutral zu verhalten.«
    Vor zwei
Jahren waren wir zu viert mit Lisas damaligen Freund beim Tanzen gewesen. Marc
hatte mich bei einem langsamen Walzer, zu dem er mich aufforderte, als Lisa
gerade mit Paul tanzte, sehr eng an sich gezogen. Paul hatte mich wutentbrannt
noch auf der Tanzfläche von Marc weggezerrt, ihm erklärt, er solle seine Finger
bei sich behalten und benahm sich das ganze Wochenende unausstehlich. Ich hatte
meine liebe Not gehabt, ihm klarzumachen, dass mich Marc überhaupt nicht
interessierte, mir das Engtanzen mit ihm eher peinlich gewesen und nicht von
mir ausgegangen war.
    Um Lisa
endgültig davon zu überzeugen, dass ich nichts gegen Lucas hatte, erkundigte
ich mich:
    »Erzähl´ mir
was von Lucas. Ich kenne ihn jetzt zwar persönlich, war in seinem Lokal und
seiner Wohnung, weiß aber sonst nichts von ihm.«
    Mein
schäbiger Hintergedanke bei dieser Frage war der, dass der Mann doch irgendeine
Leiche im Keller haben musste. Irgendetwas, was mich von meiner unmotivierten
Anhimmelei kurieren würde. Vielleicht hatte er ja eine absolut grässliche
Familie oder seine Bindungsunfähigkeit wurde durch eine lange Reihe von
Exfreundinnen dokumentiert. Wobei er in dem Fall gut zu Lisa passte…
    Aber meine
total verliebte Freundin konnte natürlich nur Gutes berichten. Ich erfuhr, dass
seine Eltern, seine ältere, bereits verheiratete Schwester, sein jüngerer
Bruder und er ein enges Verhältnis zueinander hatten und sich sehr oft zu
gemeinsamen Unternehmungen trafen.
    »Sie sind
alle sehr nett. Offen, herzlich, aufgeschlossen«, erzählte Lisa, die die
gesamte Familie bei der Geburtstagsfeier seines Vaters kennengelernt hatte.
    Na gut, aber
warum war der Kerl mit dem Aussehen solo gewesen?
    »Er hat mir
erzählt, dass er fünf Jahre mit einer Anwältin zusammengelebt hat. Sie hatten
vor zu heiraten, aber sie war total auf ihre Karriere fixiert und hat ihm
erklärt, ihr Beruf wäre ihr wichtiger und sie wolle keine Kinder. Lucas will
Familie haben, deshalb ist das Ganze vor einem halben Jahr in die Brüche
gegangen.«
    Lisa runzelte
die Stirn. Ȇber die Sache mit den Kindern bin ich mir ehrlich gesagt auch noch
nicht sicher. Mir schaudert bei der Vorstellung, neun Monate einen ständig
wachsenden Kürbis im Bauch herumzutragen und den dann auch noch auf äußerst
schmerzhafte Weise gebären zu müssen. Ganz zu schweigen von dem Stress, den du
mit Kindern hast.«
    Ihr Gesicht
hellte sich auf.
     »Aber wir
sind erst so kurz zusammen. Darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken.«
Sie lächelte mich an.
    »Jetzt üben
wir erst mal ausgiebig!«
    Wäre sie
nicht meine Freundin gewesen, hätte ich sie für den letzten Satz gehasst.
     
    Als Lisa
wenig später in ihre Wohnung zurückkehrte, räumte ich unsere Gläser in die
Spülmaschine, verstaute die Käseplatte, von der wir genascht hatten, im
Kühlschrank und versuchte vergebens, mir Lucas aus dem Kopf zu schlagen. Meine Gedanken
kreisten seit gestern fast ununterbrochen um ihn. Um seinen interessierten
Blick in der Küche, der nach Pauls Bemerkung in seinen Augen aufgeblitzt war
und jetzt darum, dass ihn meine aufgesetzte Coolness scheinbar in seiner
männlichen Eitelkeit traf. So sehr, dass er durch seine Freundin bei mir
anfragen ließ, worin meine angebliche Aversion gegen ihn begründet lag.
    Verdammt,
jetzt wurde das Ganze noch komplizierter! Ich musste eine Spur netter und
einfühlsamer zu ihm werden, ohne ihm auch nur im Geringsten meine wahren
Gefühle zu offenbaren. Aufgesetztes Desinteresse an ihm fiel mir wesentlich
leichter.
    Ich schämte
mich vor mir selbst, weil ich gerade all meine psychologischen Fähigkeiten und
Kenntnisse bezüglich meiner eigenen Probleme völlig außer Acht ließ. Ungefähr
so wie ein kettenrauchender Arzt, der seinen Patienten erzählt, Rauchen sei
gesundheitsschädlich. Meinen Patienten bläute ich ständig ein, authentisch zu
sein, alle Gefühle zuzulassen und nichts zu verbergen. Anderen nichts
vorzuspielen.
    Unterdrückte
Gefühle, egal welcher Art, so hatte ich gelernt, führten unweigerlich zu
psychischen Problemen.
    Wäre eine
Patientin mit meinem gefühlsmäßigen Dilemma zu mir in Behandlung gekommen, so
würde ich ihr raten, sich zu entscheiden, ob ihr die Freundschaft zu ihrer
Freundin wichtig sei. In diesem Fall sollte sie sich vom Objekt ihrer Begierde
fernhalten. Ich hätte ihr den Unterschied zwischen blinder Verliebtheit und wahrer
Liebe drastisch geschildert,

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