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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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überhaupt kein Stress gewesen war. Wenigstens
für mich nicht. Er hatte es fertig gebracht, dass ich beim Skifahren Spaß
verspürte!
    Schläfrig
döste ich ein und wurde eineinhalb Stunden später rüde von Paul aus meinem
bereits bekannten Traum geweckt. Ich war dabei, mit Lucas eine Tiefschneepiste
hinunter zu wedeln. Unten angekommen ließen wir uns übermütig in den
unberührten Schnee fallen, bevor er mich zärtlich an sich zog. Seine Mund
näherte sich meinen Lippen und….
    »Tessa, wach
auf! Beeil dich, wir müssen runter. Es ist schon vier Uhr.«
    Unsanft zog
mich mein Freund aus dem Stuhl hoch und zerrte mich hinter sich her zu meinen
in einen Schneehaufen gesteckten Skiern. Ich blinzelte völlig verpennt und wäre
um ein Haar hingefallen, da lediglich mein Körper in der Senkrechten stand,
mein Kreislauf aber im Liegestuhl sitzen geblieben war.
    Während Paul
ungeduldig meine Skier auf den Boden legte, damit ich in die Bindung steigen
konnte und mir auffordernd die Stöcke hinhielt, fragte ich:
    »Wo sind Lisa
und Lucas?«
    Insgeheim
hoffte ich, die beiden würden auch gleich hier eintreffen und wir könnten alle
zusammen nach unten fahren. Paul war mir, wie es aussah, immer noch nicht
wohlgesonnen. Auf seine Hilfe konnte ich bei der langen Abfahrt garantiert
nicht zählen. Hatte Lisa nicht etwas von einer Buckelpiste erzählt? Paul
schüttelte - schadenfroh, wie mir vorkam - den Kopf.
    »Du wirst
leider mit mir vorlieb nehmen müssen. Die Turteltäubchen haben nochmals die
schwarze Abfahrt genommen. Ich habe mich angeboten, dich abzuholen.«
    So wie er
klang, bedeutete dies ein riesiges Opfer für ihn.
    »Wir treffen
uns am Auto. Mein Verdacht, Lucas betreffend, hat sich übrigens voll bestätigt.
Der Kerl steht Lisa im Skifahren in nichts nach. Der ist heute nur wegen dir an
den Idiotenhügeln gefahren.«
    Paul ahnte
nicht, dass mein Herz einen Freudensprung machte. Wegen mir! Aber ganz bestimmt
nicht, weil er sich sexuell etwas von mir erhoffte. Paul mit seinem Egoismus
und seiner schmutzigen Fantasie konnte sich nicht vorstellen, dass es Menschen
gab, die selbstlos anderen einen Gefallen taten.
    Nach seinem
unmotivierten Sprung nach oben sank mein Herz direkt in meine Magengrube, als
ich realisierte, dass ich nur in Pauls Begleitung die Abfahrt antreten musste.
    Meine Angst
war begründet. Ungeduldig stieß er sich mit den Stöcken ab und war
schnurstracks den halben Hang, den man von hier aus sehen konnte, nach unten
gerauscht. Ich sah ihm auch von der Ferne an seinen abgehackten Bewegungen an,
dass es ihm überhaupt nicht passte, auf mich warten zu müssen. Seufzend begann
ich, in großen Bögen gemächlich ebenfalls in seine Richtung zu schwingen. Zunächst
ging das besser als gedacht. Kaum hatte ich ihn erreicht, um ein bisschen zu
verschnaufen, fuhr er wortlos weiter. Was für eine ungute Atmosphäre. Ich
hasste es, von ihm abhängig zu sein.
    Mittlerweile
war die Sonne von dichten, rasch aufgezogenen Wolken verdeckt worden. Die Luft
hatte merklich abgekühlt und entsetzt stellte ich beim Hinuntersehen fest, dass
die Piste ein paar hundert Meter weiter bergab in dichten Nebelschwaden
verschwand.
    Als ich Paul
beinahe erreicht hatte, knapp vor der beginnenden Nebelwand, warf ich meinen
Ärger und Stolz über Bord. Ich schämte mich für meinen weinerlichen, flehenden
Unterton, als ich ihn bat:
    »Paul, ich
habe Angst. Lisa hat etwas von einer Buckelpiste erzählt und ich sehe in diesem
Nebel fast nichts. Könntest du vielleicht ganz langsam vor mir herfahren, damit
ich weiß, was ich tun muss?«
    Aber Paul war
nicht von der mitleidigen Sorte. Schon gar nicht, wenn ihn die Eifersucht
gepackt hatte. Höhnisch lachte er auf.
    »Ach nein! Nachdem
dein Privatlehrer es satt hatte, für dich weiterhin den Babysitter zu spielen,
ist der gute alte Paul wieder recht. Schätzchen, das kostet dich aber extra.
Mach mir ein gutes Angebot, dann überleg ich es mir, ob ich Lust habe, im
Schneckentempo abzufahren!«
    Das durfte
nicht wahr sein! Dieser Mistkerl brachte es fertig, meine Angst auszunutzen und
mit mir mitten am Berg um sexuelle Dienstleistungen zu feilschen! Der blinde
Jähzorn, der in mir aufwallte, verdrängte meine Angst und meine sonstige
Zurückhaltung, was ordinäre Ausdrucksweise anging.
    »F…. dich
selber, du Arsch« fauchte ich, stieß mich mutig mit den Stöcken ab und fuhr
blindlings in die Nebelwand hinein. Bereits zwei Sekunden später wusste ich,
dass dies keine gute Idee gewesen

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