So unerreichbar nah
scheinst
damit gerechnet zu haben, dass ich mein Bücherwissen mit dir in die Praxis
umsetze. Oder hast du immer Kondome in deinen Hosentaschen? Nach dem Motto: Man
weiß nie, was einem so dazwischenkommt?«
Er grinste.
»Eins zu null
für dich!«
Dann fuhr er
- diesmal ernst - fort:
»Glaub mir,
ich hab verdammt lang überlegt, ob ich es einstecken soll. Das war ungefähr so
wie Russisches Roulette zu spielen. Ich kam mir total mies vor und hatte ja
keine Ahnung, ob du mich überhaupt anziehend findest.«
Er?
Anziehend? War der Papst katholisch?
»Du hast mich
anfangs sehr kühl und distanziert behandelt. Das wurde zwar später besser, vor
allem, nachdem ich das Glück hatte, dir beim Skifahren Tipps geben zu können. Und
als du hilflos vor mir im Schnee gelegen hast, da war deine kühle
Selbstbeherrschung vorübergehend im Urlaub.
Kaum ging es
dir besser, warst du wieder die vernünftige, überlegene Tessa. Du wolltest ja
nicht einmal mit mir zu diesem Konzert heute gehen. Selbst dazu musste ich dich
sozusagen nötigen! Und dann hast du mich den gesamten Abend lang mit deinem
scharfen Outfit derart angemacht, dass ich mir innerlich ständig auf die Finger
klopfen musste, um dich nicht anzufassen.«
Er sah
unglücklich drein.
»In den
letzten Wochen habe ich ungewollt ununterbrochen an dich denken müssen. Obwohl
ich wusste, dass es nicht richtig ist, habe ich mich riesig auf den heutigen
Abend mit dir gefreut. Ich hatte allerdings die besten Vorsätze, dich nicht
anzurühren. Ich dachte, du hältst mich garantiert für ein Charakterschwein,
wenn ich dir als bester Freundin von Lisa an die Wäsche gehe. Im letzten Moment,
bevor ich nach oben gehen wollte, hast du mich dann in dein Bett eingeladen. Tessa,
ich bin kein Heiliger. Ich konnte dir einfach nicht widerstehen. Aber weitere
Verhüterli habe ich nicht dabei.«
Ich blendete
das einzige Wort, was ich von seinen Erklärungen augenblicklich nicht hören
konnte und wollte - Lisa - komplett aus. Mit ihr und allen anderen Problemen
würde ich mich am nächsten Tag befassen, aber diese Nacht gehörte Lucas und
mir, und ich gedachte, sie bis auf die letzte Sekunde auszukosten. Ich griff
hinter mich in die Nachttischschublade und zog eine Packung Pariser, die noch
aus Pauls Zeiten stammten, heraus, die ich triumphierend vor seiner Nase
schwenkte.
»Dafür habe
ich genügend. Du hast also keine Ausrede!«
Statt einer
Antwort küsste er mich zärtlich und dann schliefen wir wieder miteinander.
Diesmal ließen wir uns viel Zeit. Ich schwebte im siebten Himmel. Er schien
genau vorauszuahnen, was ich brauchte. Er war zärtlich, wo ich mir Sanftheit
wünschte und packte mich härter an, wenn mich die Leidenschaft übermannte. Die
gesamte Nacht lang verdrängte ich das Wissen, dass das, was Lucas und ich
taten, falsch war. Es fühlte sich total richtig an. So, als ob wir beide
füreinander geboren worden waren. Gegen Morgen, als der Tag draußen dämmerte, schliefen
wir in Löffelchenstellung eng aneinander geschmiegt, erschöpft ein.
Ein paar
Stunden später wachte ich auf. Er lag nicht mehr bei mir im Bett. Ohne seine
überwältigende Wärme fröstelte ich trotz meiner Bettdecke. Eine Sekunde lang
war ich versucht, loszuheulen. Ich dachte, er habe sich aus meiner Wohnung
geschlichen. Aber weit gefehlt. Die Badezimmertür öffnete sich und da stand er,
nackt, in voller Größe vor mir und lächelte mich an. Sein Bart ließ ihn noch
verwegener aussehen. Mein Herz flog ihm entgegen.
»Guten
Morgen, meine Schöne. Ich wollte dich nicht aufwecken, du hast im Schlaf so süß
und unschuldig ausgesehen. Ganz im Gegensatz zu heute Nacht! Ich springe
schnell unter die Dusche und dann hole ich uns beim Bäcker etwas zum
Frühstück!«
Ohne meine
Antwort abzuwarten, verschwand er nach drinnen, schlug die Tür zu und dann
hörte ich ihn in meine Duschkabine steigen. Am liebsten wäre ich ihm hinterher gestiegen.
Stattdessen räkelte ich mich wohlig unter der Bettdecke und ließ die Ereignisse
der letzten zwölf Stunden vor meinem inneren Auge vorübergleiten. Diesmal waren
es keine Träume, sondern reale Erinnerungen. Was für eine Nacht und was für ein
Mann.
Der Mann
deiner Freundin!
Und schon
hatte mich die hässliche Wirklichkeit wieder eingeholt. Als ob das noch nicht
genug wäre, klingelte mein Handy. Ich ortete das Geräusch und hob das Teil vom
Boden neben dem Bett auf. Auf dem Display erschien "Lisa ruft an". Meine
Freundin hatte das perfekte Timing.
Lucas
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