So unerreichbar nah
leise, gehässig gezischte
Bemerkung nicht hören. Ich lächelte ihn gespielt fröhlich an, während ich mich
innerlich krümmte.
»Weißt du, im
Gegensatz zu dir hat er Prinzipien. Er ist noch liiert, wenn auch unglücklich
und würde niemals jemanden betrügen. Außerdem geht dich mein Liebesleben
überhaupt nichts an.«
Höflichkeit
ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!
Da Lisa eben
ins Wohnzimmer trat, fuhr ich laut fort:
»Okay,
Teller, Besteck und Brot haben wir. Jetzt fehlen nur noch Gläser. Lucas, wärst
du so nett, die aus dem Schrank zu holen?«
Sekundenschnell
gelang es ihm ebenfalls, vom Gehässigkeitsmodus auf Charmeoffensive
umzuschalten. Während er die Gläser auf den Tisch stellte, verzog sich sein
Mund zu einem Lächeln. Er schaffte es, seine Augen dabei total finster blicken
zu lassen und erklärte:
»Du hast
völlig Recht, Tessa. Prinzipien sind was Wunderbares. Vor allem, wenn sie von
beiden Seiten gleich vertreten werden!«
Autsch!
Innerlich ging ich zu Boden. Aber das hatte ich verdient.
Lisa blickte
uns verständnislos an. Ich beeilte mich, ihr zu erklären, dass es um eine
Bemerkung eines Patienten von mir gegangen sei und wechselte rasch das Thema,
indem ich sie fragte, ob wir die Kasserolle mit dem Fleisch auf den Tisch stellen
sollten oder uns gleich mit den Tellern in der Küche bedienten.
Das Essen
verlief, dank Lisas Anwesenheit, einigermaßen harmonisch. Andernfalls wären
Lucas und ich vermutlich wie Hund und Katze aufeinander losgegangen. Es war
fatal, was verletzte Gefühle aus zivilisierten Menschen machen konnten.
Ich stellte
bedauernd fest, dass sich die Atmosphäre zwischen den werdenden Eltern weg von
der unbeschwerten Turtelei in Richtung ernsthafte, verantwortungsbewusste
Beziehung entwickelt hatte. Er stellte ihr besorgte Fragen nach ihrem Befinden,
wie viel sie zugenommen hatte (Lisa verdrehte von ihm unbemerkt die Augen in
meine Richtung) und wann ihr nächster Arzttermin war. Und sie antwortete brav
und ausführlich. Verschwunden waren die Neckereien und gehauchten Luftküsschen,
die Unbeschwertheit und grenzenlose Verliebtheit, die sie beide noch vor vier
Wochen wie eine rosa Wolke eingehüllt hatte. Aber vielleicht war das immer so,
wenn aus einem Paar eine Familie wurde?
Und dann
begann Lucas noch damit, mir das Messer in meinem Herzen umzudrehen, indem er
das Thema auf einen geplanten Hausbau oder -Kauf lenkte. Er erzählte Lisa von
einem Makler, den er eingeschaltet hatte und beide begannen eine lebhafte
Diskussion über gewünschte Größe, Lage und Zimmeranzahl ihres zukünftigen
Familienwohnsitzes. Ich saß daneben und dachte an zwei eifrige Vogeleltern, die
in den Schnäbeln unermüdlich Material zu ihrem halbfertigen Nest anschleppten.
Pünktlich
nach dem Essen klingelte Lucas Handy, er stand auf, ging nach draußen in den
Gang, murmelte irgendetwas wie »Ja, ich komme gleich vorbei« und verabschiedete
sich kurz darauf mit einem zärtlichen Kuss und dem Versprechen, morgen Abend
wieder zu kommen, von Lisa.
Da sie
daneben stand, konnte er sich, ohne ihren Argwohn zu erregen, nicht so kühl,
wie er gerne gewollt hätte, von mir verabschieden. Er nahm mich also in den Arm
und ich bekam zwei Küsschen rechts und links auf die Wange, wobei er mich wahrscheinlich
viel lieber geohrfeigt hätte.
Mein
Innerstes sehnte sich mit aller Macht nach dem unbeschwerten, humorvollen,
fürsorglichen Lucas zurück, den ich bis vor drei Wochen gekannt hatte. Demjenigen,
der ständig einen frechen Spruch auf den Lippen hatte und sich diebisch freute,
wenn man mit einem noch frecheren konterte, der aber auch sehr einfühlsam und
zärtlich sein konnte, wenn es angebracht war. Leider war dieser Lucas,
jedenfalls für mich, dauerhaft verschwunden.
»Tschüss,
Tessa. Hat mich gefreut. Vielleicht sieht man sich mal wieder?«
Gerne!
Sobald die Hölle eingefriert!
Mühsam
lächelte ich ihn an und murmelte irgendetwas von "viel zu tun in nächster
Zeit".
Ich
verbrachte noch eine gemütliche Stunde mit Lisa, die zu ihrem Leidwesen beim
Wasser bleiben musste, während ich meinen Rotwein austrank und schaffte es
durch geschickte Fragen nach ihren derzeitigen Werbekampagnen, das
Gesprächsthema unverfänglich zu halten und mir weder Geschichten über Lucas
noch über ihre Schwangerschaft anhören zu müssen. Aber das klappte nur bedingt.
Irgendwann erklärte sie in ihrer sprunghaften Art:
»Tessa, ich
glaub´, das Schlimmste habe ich überstanden. Ich fühle mich
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