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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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zu überzeugen.
    »Ich habe dir
doch von dem Kollegen erzählt, mit dem ich ein paar Mal ausgegangen bin?«
    Sie nickte.
    »Er hat mir
vorgestern erklärt, dass er jetzt doch bei seiner Freundin bleiben wird, da sie
ein Kind von ihm erwartet. Ich kann ihn verstehen, aber es tut mir sehr weh.
Ich brauche jetzt einfach etwas Abstand. Du bist doch auch nach New York
geflogen, weil du das Gefühl hattest, unbedingt dahin zu müssen.  Gerade du
solltest das eigentlich nachvollziehen können!«
    So jetzt
hatte ich ihr, ohne dass sie es begriff, sogar teilweise die Wahrheit über
meine Flucht gestanden. Und Lucas würde, wenn sie es ihm erzählte, innerlich darüber
jubilieren, dass ich meine gerechte Strafe für mein männermordendes, nymphomanes
Verhalten bekommen hatte und froh darüber sein, dass ich jetzt lange Zeit
meilenweit weg war!
    Mit
unglücklichem Gesichtsausdruck schüttelte sie energisch den Kopf.
    »Ach Tessa. Es
ist schlimm für mich, dass du ausgerechnet jetzt weggehst. Und nein, bis jetzt
kann ich dir das nicht verzeihen. Was ist mit deinem ungeborenen Patenkind?
Willst du denn meine ganze Schwangerschaft verpassen?«
    Oh ja,
genau das war der Plan!
    Dann hellten
sich ihre Züge auf.
    »Aber dank
Handy und Mail können wir ja trotzdem ständig in Kontakt bleiben. Ich warne
dich, wenn mir danach ist, rufe ich dich mitten in der Nacht an. Und du musst
mit mir reden, du bist meine beste Freundin!«
    Verflixt! Sie
war wie ein Tintenfisch: Sie ließ mich nicht aus ihren Tentakeln!
    Gleich darauf
schämte ich mich wieder abgrundtief für meine bösen Gedanken.
    Aber ich
musste unbedingt vermeiden, auch in Hamburg ständig mit Berichten von der
"Front" überschüttet zu werden. Ich wollte Abstand und Ruhe vor Lucas
und seinem ungeplanten Nachwuchs. Feige wie ich war, verschwieg ich ihr diesen
Umstand.
    Ich
verabschiedete mich mit dem falschen Versprechen, dass wir vor meiner Abreise
noch einmal alle zusammen - auch Lucas, darauf bestand sie - zusammen im
"Chez amis" essen gehen würden.
    Nur über
meine Leiche würde ich mir das antun!
    An diesem
Abend fuhr ich nach Dachau zu Elsa und Armin. Er war nicht da.
    »Spielt Skat
mit seinen Freunden. Da habe ich dann immer einen freien Abend!«, erklärte mir
Elsa, als sie mich freudig nach innen gebeten hatte.
    »Und jetzt
verderbe ich dir deinen freien Abend«, bedauerte ich. Insgeheim war ich ganz
froh, mit ihr unter vier Augen sprechen zu können. Armin war wirklich ein
lieber Mensch, aber momentan brauchte ich dringend weibliches Verständnis.
    Sie umarmte
mich spontan.
    »Tessa, du
wirst mir nie einen Abend verderben. Ich freue mich über jeden Besuch von dir,
mein Schatz. Schön, dass du dich von deinem üblen Skiunfall erholt hast. Du
läufst wieder ganz normal.«
    Prüfend sah
sie mich an.
    »Allerdings
bist du ziemlich blass und schmal geworden. Du siehst unglücklich aus. Was ist
los?«
    Angesichts
ihres Mitgefühls brach ich unvermittelt in Tränen aus. Ich war es nicht mehr
gewohnt, dass sich jemand um mich sorgte.
    Wieder nahm
sie mich in den Arm und ließ mich heulen, während sie mir sanft über den Rücken
streichelte und beruhigende Worte murmelte.
    »Ach Elsa, es
ist alles so furchtbar verfahren!«, schluchzte ich.
    Als ich mich
etwas beruhigt hatte, nötigte sie mich, im Wohnzimmer Platz zu nehmen und
kochte in der Küche Kräutertee. Dieser war ihr Allheilmittel für alle
Katastrophen des Lebens und aus Erfahrung wusste ich, dass er half. Vielleicht
war es aber auch die Liebe, mit der Elsa ihn zubereitete, die einem Trost
spendete.
    Als ich
vorsichtig an meiner heißen Tasse nippte, saß sie mir gegenüber und fragte
ruhig:
    »Willst du
mir sagen, was dich so bedrückt, Tessa?«
    Und dann
erzählte ich ihr davon, dass ich von München unbedingt wegwollte (ich nannte
allerdings keinen Grund) und von der Chance, die ich mit Hamburg ergriffen
hatte. Und davon, dass Lisa mir jetzt böse war, weil ich sie "im Stich
ließ".
    Elsa lachte
leise.
    »Das ist
typisch für Lisa. Immer gleich theatralisch werden. Tessa, du weißt doch aus
beruflicher Erfahrung, dass schwangere Frauen immer noch einen Tick emotionaler
reagieren als normal? Lisa wird sich schon wieder beruhigen. Sie hat ihren
Lucas, der sich rührend um sie kümmert und Armin und ich sind ja auch noch da. Wenn
du das Gefühl hast, dieses halbe Jahr in Hamburg sei das Richtige für dich,
dann pack die Gelegenheit beim Schopf.«
    Sie beugte
sich verschwörerisch nach vorne.
    »Du musst mir
nicht

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