Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
Vom Netzwerk:
konnte es nicht sein, da ich Lucas´ Wagen vor dem
Haus hatte stehen sehen. Ich riss ohne nachzudenken die Tür auf  -  und stand
Lucas gegenüber. Mein Herz machte einen freudigen Satz, aber schon bei einem
Blick in sein düster umwölktes Gesicht sank es schnurstracks in die Magengrube.
Er blickte mich wie ein besonders ekliges Insekt an und erklärte ohne
Begrüßung:
    »Lisa will
unbedingt, dass du nach oben kommst. Sie hat gekocht und denkt, wir müssen mal
wieder einen Abend zu dritt verbringen. Ich lege da aus dir bekannten Gründen
keinen Wert drauf und werde, sobald es geht, unter einem Vorwand ins "Chez
amis" verschwinden. Ich stelle mein Handy auf Weckruf und tue so, als ob
dort meine Anwesenheit erforderlich ist. Solange müssen wir Theater spielen und
nett zueinander sein. Ich hoffe, du siehst das genauso wie ich und wir bringen
diesen Abend in Anstand und Würde hinter uns.«
    Ich schluckte
schwer und nickte dann.
    »Ich will
mich nur noch schnell frisch machen, da ich eben erst von der Praxis zurück bin,
dann komme ich hoch.«
    Er war schon
am Gehen. Ich blickte seiner hochgewachsenen Gestalt nach, spürte prompt seine
Berührungen und hörte in Gedanken wieder die zärtlichen Worte, die er mir vor
drei Wochen ins Ohr geflüstert hatte. Wie sollte ich einen Abend lang mit ihm
auf engsten Raum zusammen überstehen? Vor allem, da er mich offensichtlich
hasste und froh um jede Minute war, in der er mich nicht sehen musste?
    Trotzig zog
ich mich um, wählte absichtlich ein enges schwarzes Strickkleid mit
Seidenstrümpfen und halbhohen Pumps und legte leichtes Make-Up auf. Meine Appetitlosigkeit
in den letzten Wochen hatte dafür gesorgt, dass ich drei Kilo weniger wog.
Normalerweise hätte ich mich über diesen Umstand gefreut. Aber augenblicklich
standen Freude oder ähnliche Empfindungen nicht auf meiner Tagesordnung. Mein
Haar ließ ich - wie an jenem verhängnisvollen Abend - offen auf die Schultern
fallen.
    In meinem
Innersten kreidete ich es ihm unvernünftigerweise an, dass er mir meine Lügen
glaubte. Irgendein unlogischer Teil tief in mir bildete sich tatsächlich ein,
wenn er mich lieben würde, wüsste er, dass ich gelogen hatte. Aber er hatte
alles, was ich sagte, für bare Münze genommen und benahm sich aus verletzter
männlicher Eitelkeit total garstig. Männer konnten es offensichtlich nicht
verkraften, zum reinen Sexobjekt degradiert zu werden. Ich litt wie ein Hund
und jetzt sollte er durch mein aufreizendes Äußeres ebenfalls leiden. Ein Paradebeispiel
für weibliche Logik!
    In Lisas
Wohnung lief ich zu Höchstform auf. Mit Genugtuung bemerkte ich, wie er
angesichts meiner kessen Aufmachung beim Öffnen der Tür zusammenzuckte und sich
seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde anerkennend weiteten, bevor er
wieder sein undurchdringliches Pokerface aufsetzte. Ich rauschte grußlos dicht
an ihm vorbei, direkt in die Küche, wo Lisa eifrig am Werkeln war. Es duftete
köstlich aus dem geschlossenen Backofen, während sie dabei war, eine Schüssel
gemischten Salat mit Dressing anzumachen.
    Mit roten
Wangen lächelte sie mich an.
    »Hallo Süße!
Du kümmerst dich jeden Morgen so lieb um mich, dass ich spontan dachte, ich
koche heute mal für uns drei. Du und Lucas, ihr habt euch doch seit dem Konzert
sowieso nicht mehr getroffen, habe ich Recht?«
    Ich schielte
aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber. Er ergriff gerade einen vollen Brotkorb,
um ihn ins Wohnzimmer zum Tisch zu tragen und tat, als habe er nichts gehört. Laut
erwiderte ich in, wie ich hoffte, lässigem Tonfall:
    »Stimmt.
Jetzt wo du es sagst. Naja, ich hatte auch schrecklich viel zu tun. Und -«
jetzt ritt mich der Teufel, »da gibt es außerdem einen sehr netten Kollegen,
mit dem ich jetzt öfter ausgehe.«
    Lucas übte
eindeutig einen schlechten Einfluss auf mich aus. Soviel gelogen wie in den
letzten Monaten hatte ich mein gesamtes vorheriges Leben nicht.
    Lisa freute
sich aufrichtig für mich.
    »Ach Tessa,
das ist ja prima. Vielleicht kannst du ihn einmal mitbringen!«
    Leider konnte
ich, da Lucas durch die offene Tür im Wohnzimmer nicht zu sehen war, keine
Reaktion seinerseits erkennen. Ich ergriff die bereitstehenden Teller und das
Besteck und trug alles auf den Esstisch hinüber. Lucas starrte mir aufgebracht
ins Gesicht. Er hatte es gehört!
    »Bist du auf
den Kerl auch scharf? Darf er dich ebenfalls ohne jede Verpflichtung im Bett
durchziehen?«
    Lisa
klapperte laut mit der Backofentür, deshalb konnte sie seine

Weitere Kostenlose Bücher