So unselig schön
…«
Er saß Dühnfort am Vernehmungstisch gegenüber. Sein Sakko hatte er über die Stuhllehne gehängt, die Ärmel aufgekrempelt, wie zum Kampf bereit.
»Das hatten wir schon. Wie können Sie einerseits behaupten, jemand wolle Ihnen die Morde unterschieben, und andererseits keine Ahnung haben, wer das sein könnte?«
Mit einer ratlosen Geste strich Fuhrmann sich mit der Hand über Augen und Kinn. »Ich weiß es nicht. Wirklich. Ich habe keine Feinde.«
»Den Liebhaber Ihrer Frau würden Sie nicht als Gegner bezeichnen?«
Fuhrmann ließ den Arm auf den Tisch sinken. »Wollen Sie daraus ein Motiv konstruieren? Aus Frust über Verenas Seitensprung schlachte ich Frauen ab? Das ist lächerlich.«
»Die Affäre Ihrer Frau wird Sie doch nicht kaltlassen.«
»Nein. Natürlich nicht. Ich liebe Verena und dachte immer, wir wären ein besonderes Paar, eines, das es tatsächlich schafft zusammenzubleiben. Ein Irrtum. Das kommt vor. Wir haben darüber geredet, wie zivilisierte Menschen das tun.«
»Gut. Lassen wir das mal so stehen. In Ihrem Beruf haben Sie sich nie Feinde gemacht?«
»Nein.«
»Wer also könnte Ihnen zwei Morde unterschieben wollen?«
»Ich weiß es nicht. Wirklich.«
»Sagt Ihnen der Name Bruno Lichtenberg etwas?«
»Nein«, antwortete Fuhrmann nach einem Moment des Überlegens. »Sollte er?«
»Er ist Maler. Sein Künstlername ist Carne.«
Fuhrmann schüttelte den Kopf. »Ich habe beide Namen nie gehört.«
»Serge Buthler kennt ihn aber.«
»Ja? Mag sein. Er ist schließlich Galerist, und wenn dieser Lichtenberg Maler ist … Ich verstehe den Zusammenhang nicht.«
Dühnfort reichte Fuhrmann den Computerausdruck von Vickis Aufnahme der Hotelkarte des Atlantic. »Sagt Ihnen das etwas?«
Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete Fuhrmann die Fotografie. »Buthler. 19 . 00 Uhr. Das könnte sich auf die Auktion im Mai beziehen, die begann um diese Zeit. Es könnte aber genauso gut ein x-beliebiger Termin gemeint sein.«
»Kennen Sie die Handschrift?«
»Nein.«
»Sie waren bei der Auktion Ende Mai.«
»Natürlich. Serge hat sich auf das Gebiet spezialisiert, das ich sammle. Stillleben des 17 . Jahrhunderts.«
»Genau wie Ihr Freund Wernegg. Wie kommt es, dass Sie beide diese Gemälde sammeln?«
Der Themenwechsel entspannte Fuhrmann ein wenig, der verhärtete Zug um den Mund verschwand. »Wir haben uns schon während der Internatszeit dafür interessiert. Vor allem für Vanitasmotive. Unser Kunstlehrer hat uns das Thema nahegebracht, und auch die Symbolik, die in diesen Bildern steckt. Ein faszinierendes Thema, das uns beide nicht losgelassen hat. Als ich Jobst vor vier oder fünf Jahren hier in München wieder begegnet bin, stand er in einer Galerie vor einem Vanitasmotiv.«
Hier hakte Dühnfort ein. »Ich dachte, Sie wären seit Ihrer Schulzeit mit Wernegg befreundet.«
»Schon. Aber nach dem Abitur haben sich unsere Wege getrennt. Zum Studieren bin ich nach Heidelberg gegangen. Da haben wir irgendwie den Kontakt verloren.«
»Die Symbolik der Natur in der Malerei fasziniert Sie also.« Dühnfort dachte an das Buch auf seinem Schreibtisch, an den Trauermantel und den Distelfalter. »In Ihrem Wohnzimmer hängt ein Gemälde, das einen Blumenstrauß in einer Kristallvase zeigt, einige Rosen welken bereits. Ein Symbol für die Vergänglichkeit der Liebe?«
Fuhrmann lächelte. »Interessante Interpretation. In der Mythologie ist die Rose die heilige Blume der Venus und Attribut der drei Grazien. Im Altertum galt sie als Zeichen von Trauer und Tod, im Christentum ist sie wegen ihrer Dornen Symbol für Schmerz und Qual der Märtyrer. Es kommt auf den Kontext an.«
»Oder auch Märtyrerinnen«, meinte Dühnfort. »Kennen Sie das Gedicht von Charles Baudelaire? Eine Märtyrerin. «
Einige feine Falten vertieften sich auf Fuhrmanns Stirn. »Baudelaire habe ich zwar in der Pubertät gelesen, wie wohl die meisten, aber an das Gedicht kann ich mich nicht erinnern.«
»In einem Raum, der lau ist wie ein Treibhaus und unheilschwanger überall, wo letzte Seufzer haucht ein Blumenstrauß in einem Sarge aus Kristall …«, begann Dühnfort und beobachtete Fuhrmann, dessen Stirn sich wieder glättete.
»Doch. Das kommt mir bekannt vor.«
Dühnfort fixierte sein Gegenüber. »Ergießt ein Leichnam ohne Kopf in stetem Fließen auf Kissen seine Wogen von frischem rotem Blut, das gierig wie von Wiesen vom Laken aufgesogen.«
Fuhrmann hielt dem Blick stand. »Ich kenne das Gedicht. Es stammt
Weitere Kostenlose Bücher