So unselig schön
Terrassentür stand offen, es regnete auf den Dielenboden, und das Bett war nicht nur gemacht, sondern auch frisch bezogen. Eilig schloss sie die Tür zum Garten. Okay, die hatte sie schon öfter offen gelassen. Aber mit Sicherheit würde sie sich daran erinnern, wenn sie die Bettwäsche gewechselt hätte. An Alzheimer litt sie schließlich nicht. Mit einem Blick ins Terrarium vergewisserte sie sich, dass es Epiktet gutging, und sah sich weiter um.
Auf den ersten Blick fehlte nichts. Was hätte man bei ihr schon klauen können? Höchstens den PC , und der stand völlig unberührt an seinem Platz.
Ein Einbrecher, der nichts fand, würde vielleicht aus Ärger alles verwüsten, aber sicher nicht das Bett frisch beziehen. Ganz schön schräg.
Etwas lag auf dem Kissen. Vicki trat näher, um es zu betrachten, während ihr Herz gleichzeitig schneller zu klopfen begann, sein Schlag in den Arterien nachvibrierte und die Haare an ihren Armen sich aufrichteten. Es war eine Blume. Sah aus wie eine Anemone, aber in Schwarz.
Vicki versuchte die Angst herunterzuwürgen, die in ihr aufstieg. Es gelang ihr nicht. Sie griff nach dem Rucksack und dem Schlüsselbund und verließ die Wohnung. Eine Sekunde später kehrte sie zurück, nahm Epiktet aus dem Terrarium und ließ die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen.
***
Vor einer Stunde hatte Dühnfort telefonisch einen Zwischenbericht von Gina und Alois eingefordert und anschließend von Leyenfels den Beschlagnahmebeschluss. Nach über sechs Stunden hatten sie nicht das Schwarze unter dem Fingernagel vorzuweisen. Die Mitarbeiter der KTU waren bereits unterwegs, um den Wagen sicherzustellen.
Dühnfort rief Katja Schön an, um die Flugdaten und den Aufenthaltsort von Wernegg in Berlin in Erfahrung zu bringen. »Herr Wernegg ist mit der Bahn gefahren und wohnt wie immer im Adlon. Er müsste vor zwei Stunden angekommen sein und hat gerade einen Termin. Am besten erreichen Sie ihn über sein Handy.«
Dühnfort dankte ihr für die Auskunft und wollte Werneggs Nummer wählen, als das Handy zu vibrieren begann. Vicki Senger meldete sich aufgeregt. Jemand war in ihre Wohnung eingebrochen, hatte das Bett frisch bezogen und eine Blume aufs Kopfkissen gelegt. »Das kann nur dieser Serge Buthler gewesen sein«, sagte sie atemlos. »Der klebt an mir wie Kaugummi, obwohl ich ihn ständig abblitzen lasse. Aber das geht jetzt echt zu weit …«
»Was haben Sie mit Serge Buthler zu tun?«
»Na, den habe ich doch angerufen. Das wissen Sie doch. Ich hab’s Ihnen gebeichtet, schon vergessen?«
»Richtig. Aber Sie haben nicht erwähnt, dass Sie noch in Kontakt zu ihm stehen.«
»Tue ich auch nicht. Jedenfalls wenn es nach mir geht. Der ruft ständig an. Und er ist in München, jedenfalls war er das gestern noch. Ist einfach im Reisebüro aufgetaucht … Das kann nur er gewesen sein, der bei mir eingebrochen ist. Was soll ich jetzt machen?«
Dühnfort gefiel das nicht. »Sie haben wirklich nur einmal mit ihm telefoniert, und er belästigt sie seither?«
»Na ja, es war schon mehr als einmal.«
Sie erzählte ihm, Buthler habe ihr eine Liste mit Büchern gemailt und dann im Reisebüro angerufen, um ihr einen Mentor für die Facharbeit zu empfehlen. Dass sie die ja nur erfunden hatte, wusste er natürlich nicht. »Die Nummer hat er aus den Eingeweiden seiner Telefonanlage gegraben. Echt gruslig, der Typ. Das ist ein Stalker. Und ein Einbrecher. Sie müssen den verhaften.«
Ein Mentor für eine Facharbeit über Stilllebenmalerei. In München. »Was für einen Mentor? Doch nicht Jobst Wernegg?«
»Sie kennen den?«
Immer wenn Dühnforts Ärger kurz vor dem Siedepunkt stand, wurde er ganz ruhig. Es war die Ruhe vor dem Sturm. »Ich hatte Sie gebeten, sich nicht weiter einzumischen. Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
»Was bedeutet eigentlich ?«
»Nichts. Wirklich.« Ihre Stimme war eine Tonlage höher geklettert, klang verängstigt und verunsichert.
»Haben Sie Kontakt zu Wernegg aufgenommen?«
»Nicht direkt. Also nicht als Mentor …«
»Was übersetzt wohl ja bedeutet. Sie haben ihn angerufen.«
»Ja. Habe ich. Wegen einer Spende für ein Kinderheim. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann doch nicht in meine Wohnung. Vielleicht kommt Buthler zurück.«
»Sie kommen zu mir ins Präsidium. Sofort. Sie gehen nicht über Los, ziehen nicht viertausend Euro ein …«
»Ich kaufe auch nicht die Schlossallee und gehe nicht ins Gefängnis.« Nun
Weitere Kostenlose Bücher